Prognosen zur Wahl in Bremen: Näheres weiß niemand so recht
Die heiße Wahlkampfphase in Bremen beginnt. Die Spekulationen über den Ausgang der Wahl zeigen, wie viele Optionen denkbar sind.
M ögen Sie auch manchmal wild spekulieren? Also ins Blaue hinein, etwas über eine Zukunft behaupten, von der man nichts weiß, außer, dass sie eintreten wird? Mal einen Tipp abgeben, der nur originell ist, nicht plausibel?
So sieht’s derzeit mit der anstehenden Bremer Bürgerschaftswahl aus: Alle rätseln, was wohl der 14. Mai bringen wird, auch der verdiente, mittlerweile im Unruhestand befindliche örtliche Politikwissenschaftler Lothar Probst hat, wie alle vier Jahre, seine Vorwahlanalyse ins Land geschickt. Und das Ergebnis lautet: Näheres weiß niemand so recht.
Das ist, einen Monat vor der Wahl, nicht nur die normale Ungewissheit. Einerseits herrscht eine diskursive Ratlosigkeit nach einer Phase notwendig dirigistischer Pandemie-Abwehr. Die war über Erlasse und Verwaltungshandeln statt über Politik organisiert. In der Folge gibt es kein gemeinsames Thema: Jede Partei beackert ihr eigenes Feld, die CDU glaubt auf Bildung, die SPD auf Wirtschaft setzen zu sollen und so weiter. Alle behaupten von sich, am meisten fürs Klima zu tun, sogar die FDP, die dafür vor allem den Autoverkehr stärken will.
Wie sich dieses Aneinander-Vorbeireden auswirkt, ist unklar. So stammen die meisten auch von Probst verwendeten Daten aus einer Zeit, bevor der Ausschluss der AfD feststand. Der hätten Ende Februar trotz ihrer in jeder Hinsicht katastrophalen Performance auf Landesebene immerhin sieben Prozent der damals von Infratest im Auftrag des Weser-Kurier Telefonbefragten ihre Stimmen geben.
Unklare Folgen des AfD-Ausschlusses
Das Berliner Umfrageinstitut „Wahlkreisprognose“ hat auf den sich abzeichnenden AfD-Ausschluss bei seiner Online-Umfrage Mitte März bereits reagiert, aber wie sich die rechtslastigen Voten verteilen, ist unklar: Zwar wird die lokale Wählervereinigung „Bürger in Wut“ profitieren, zumal in Bremerhaven, wo sie bekannt ist. Aber ein großer Teil von ihnen dürfte eher diffundieren, also beispielsweise die FDP über die Fünfprozenthürde hieven, das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU entscheiden.
Oder der Linken-Frontfrau Kristina Vogt ein persönliches Top-Ergebnis bescheren, weil sie, laut Wahlkreisprognose, als die bei AfD-Wähler*innen beliebteste Politikerin gelten muss. Vorausgesetzt, die AfD-Anhänger werden nicht zu Nichtwählern. Nur die Grünen profitieren sicher nicht.
Nicht alles also ist möglich. Aber fast. Und diese Ungewissheit potenziert sich und erzeugt seltsame Überschneidungen der Interessenlagen: So muss Die Linke hoffen, dass es die Wackel-FDP in den Landtag schafft. Andernfalls wäre außer einer großen Koalition ein Zweierbündnis der Grünen mit der SPD oder der CDU möglich. Letzteres ist die öffentlich am wenigsten verhandelte Option. Dabei spricht viel für sie, sofern die Union vorn landet. Sie hat sich mit der Klima-Enquete und dem Spitzenpersonal ökokompatibel in Szene gesetzt.
Und ihren innigen Wunsch, die seit dem Zweiten Weltkrieg ungebrochene Sozen-Herrschaft zu beenden, könnte sie sich so erfüllen. Zugleich hat die Liebe der Grünen zur Sozialdemokratie in 16 Jahren Koalition gelitten. Und sie könnten auf diese Weise sehr billig ihre auch parteiintern unbeliebte Spitzenkandidatin Maike Schaefer verschwinden lassen.
Also: Möglich ist das. Auch wenn nichts davon geschehen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!