König Charles in Berlin: Dönergeruch und Möwendrohne

Schlange stehen für einen Blick auf King Charles! Unser Reporter trifft am Brandenburger Tor auf genervte Radler und Lehrvideos für den richtigen Knicks.

Zahlreiche Menschen warten auf Einlass am Brandenburger Tor vor dem Deutschlandbesuch des britischen Königs Charles III.

Kostenloser Werbeträger für einen Schnellimbiss: König-Charles-Fans am Brandenburger Tor Foto: Michael Kappeler/dpa

Kaiserwetter in Berlin für doch nur königlichen Besuch: Berlin, der ewige Parvenu, muss halt immer einen drauf setzen. Überhaupt präsentiert sich Charles’ und Camillas erste Auslandsstation zunächst typisch und aber auch einfühlsam: Ein paar hundert Meter vom Brandenburger Tor entfernt kommt einem schon der erste Radfahrer im Linksverkehr entgegen. Am Platz des 18. März, wo Charles und Camilla sich hoffentlich später zum Gedenken an die Revolutionäre von 1848 verbeugen, werden dann nicht minder berlinisch Radler und Fußgänger auf einer Minispur zusammen an den Absperrungen vorbeigedrängt, was zum proll-metropoligen Austausch von Höflichkeiten führt.

Muss das sein Leute, gleich kommt der Hochadel?! Hauptsache, der Autoverkehr kann schön geschmeidig mehrspurig fließen, muss ja, wa, sozusagen schon als Ein-und Ausblick auf die kommende Große Rückschrittskoalition.

Aber die Besucher aus aller Welt bis Westdeutschland sind auch nicht besser. Am Holocaust-Mahnmal sagt ein Typ einer Reisegruppe spontan: „Die Deutschen sind doch die Juden Europas“, leider bin ich im Dienst und habe keine Zeit, ihm eine reinzuhauen.

Überwachung und Willkommenssymbol

Außerdem ist natürlich viel, aber nicht übertrieben viel Polizei unterwegs, ich halte mich, man will ja nicht als Touri durchgehen, links und werde dann aber wieder zurückgeschickt: Zur Schlange zur Besichtigung ginge es rechts ums Tor herum, vorbei an der sympathisch offen zu passierenden Britischen Botschaft. Am Himmel kreisen kreischend Möwen-Drohnen, ein netter Einfall, die nötige Überwachung zurückhaltend und gleichzeitig als Willkommenssymbol zu gestalten.

Die US-Flagge auf der Botschaft ist auf Halbmast, kurzer Check bei der Zentralredaktion, prompte Antwort: Hat nichts mit dem Hohen Besuch zu tun, ist wegen des jüngsten Schusswaffen-Massakers in Nashville.

Wo wir bei Fahnen sind: Unser Berliner Bärchen fehlt schon mal! Und ist die EU-Flagge, die neben Union Jack und Schwarz-Rot-Gold die freie Sicht aufs Brandenburger Tor einschränkt, eigentlich angebracht bei diesem doch ersten Besuch eines britischen Staatsoberhaupts nach dem Brexit? Und wird das dadurch ausgeglichen, dass einer der besten Blicke auf das erst nach Redaktionsschluss stattfindende Tschingderassabum-Spektakel am Platz vor dem Tore sich den notorischen EU-Rumpelstilzchen in der Ungarischen Botschaft bieten dürfte?

Das sind Fragen, die man sich stellen kann, während man auf dem Mittelstreifen Unter den Linden um 10:45 Uhr sich in die gar nicht so lange Schlange einreiht. Vorher hat man sich eine Kartonkrone von Burger King besorgt, das Angebot, als kostenloser Werbeträger für einen Schnellimbiss zu fungieren, stößt auf große Nachfrage, die Duftnote bestimmt zum Glück eine noble Dönerbude.

Auf dem Weg in den Inner Circle

Die Schlange läuft auf ein schlauchartiges Zelt zu, in dem die Leibesvisitation zum Zugang zum Inner Circle stattfindet und mit einem Lehrvideo nochmal der korrekte Knicks eingeübt werden kann, letztere Information natürlich frei nach Relotius.

Nach einer halben Stunde Anstehen, in denen zehn Meter zurückgelegt wurden, will ich die Schlange ziemlich ergebnislos verlassen, als mich doch noch das Reporterglück ereilt. Eine Kollegin von der konkurrierenden Tagespresse macht genau mit meiner Schlangennachbarin das klassische kurze Abfrageinterview – und ich kann einfach so zuhören! Meine Nachbarin ist extra aus Lüneburg angereist, sie wollte mal einen Royal sehen und sie möchte kein kurzes Video machen.

Nun hab ich alles im Sack. Ich umrunde das Tor nochmal, kaufe mir eine Currywurst für vier Euro („ohne Darm hamwa nich“), da klingelt mein Telefon.

Ein Freund aus Kassel ruft an. In Kassel ist nichts los! Wie immer regnet es! Und hier, in der Hauptstadt, strahlt die Sonne vom blaublütigen Himmel, und wenn ich noch ein paar Stunden ausharrte, könnte ich – vielleicht – einen König und eine Königin sehen – ha: Nimm das, Provinz!

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