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Kein Befreiungsschlag in Sofia

In Bulgarien bringt auch die fünfte Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren keine stabilen Mehrheiten hervor. Sollte die politische Blockade weiter gehen, hätte das für den Balkanstaat fatale Folgen

Von Barbara Oertel

Politisches Patt in Bulgarien: Bei der Parlamentswahl vom Sonntag – dem fünften Urnengang binnen zweier Jahre – ist die konservative Partei Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) des früheren Ministerpräsidenten Boj­ko Borissow im Verbund mit der Union der demokratischen Kräfte (SDS) erneut stärkste Kraft geworden. Vorläufigen Ergebnissen nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmzettel zufolge kommen GERB/SDS auf 26,57 Prozent der Stimmen.

Mit 24,6 Prozent auf dem zweiten Platz landete das proeuropäische und Antikorruptionsbündnis Wir setzen den Wandel fort (PP) von Ex-Regierungschef Kiril Petkow und Demokratisches Bulgarien (DB). Die nationalistische und prorussische Partei Vazrazhdane (Wiedergeburt) kam auf 14,2 Prozent (9,8 Prozent im Oktober 2022).

Darüber hinaus schafften drei weitere Gruppierungen den Sprung über die Vierprozenthürde und werden in der neuen Nationalversammlung (240 Sitze) vertreten sein: Die Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS, 13,39 Prozent), die vor allem die Interessen der türkischen Minderheit vertritt; die Sozialisten (BSP, 8,79 Prozent) sowie die Protestpartei So ein Volk gibt es (ITN, 4,15 Prozent) des Entertainers Slawi Trifonow.

Sie war aus den wochenlangen Demonstrationen gegen Korruption im Sommer 2020 hervorgegangen und hatte bei der Wahl im Juli 2021 mit 24,1 Prozent das beste Ergebnis aller Parteien erzielt. Die Wahlbeteiligung geben soziologische Institute mit rund 40 Prozent an.

Die Parteienkonstellation lässt, wie bereits nach den vorherigen Wahlen, schwierige Koalitionsverhandlungen erwarten. Dass sich die PP/DB und GERB zusammentun, gilt als eher unwahrscheinlich. Die beiden Formationen hatten den Wahlkampf vor allem gegeneinander ausgetragen. PP-Chef Kirill Petkow hatte eine Minderheitsregierung ohne Beteiligung der GERB ins Spiel gebracht, aber auch das birgt erhebliche Risiken. Dasselbe gilt für ein mögliches Bündnis von GERB, DPS und Sozialisten. Letztere haben sich, anders als die GERB, mehrfach gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sowie einen Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum positioniert.

Sollte der Stillstand andauern, wäre das fatal. Denn es besteht dringender Handlungsbedarf. Nicht nur eine Justizreform, um den Antikorruptionskampf voran zu bringen, duldet keinen Aufschub mehr. Auch leidet das Land weiter unter den Folgen der Coronapandemie sowie einer hohen Inflation.

Zudem beklagen Be­ob­ach­te­r*in­nen einen erheblichen Machtzuwachs für Staatspräsident Rumen Radew. Das ist dem Umstand geschuldet, dass das Land mit kurzen Unterbrechungen von geschäftsführenden Regierungen geleitet wird, die der Staatschef ernennt.

Das Ergebnis bestätigte, dass die bulgarische Gesellschaft sehr gespalten sei, zitiert das bulgarische Nachrichtenportal mediapool.bg den Co-Chef von Demokratisches Bulgarien, Hristo Iwanow. Das böte auch eine Gelegenheit zu beginnen, das zerrissene Gewebe dieser Gesellschaft zu flicken. „Demokratie ist ein Gespräch zwischen denen, die unterschiedlicher Meinung sind. Das Votum sagt uns, dass wir lernen müssen, dieses Gespräch zu führen.“

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