Abkommen zwischen Serbien und Kosovo: Keine Einigung für Normalisierung

Die Regierungschefs haben am Samstag die Normalisierung der Beziehungen nicht unterzeichnet. Vučić und Kurti beharren auf ihren Positionen.

Kosovos Premierminister spricht zu den Medien nach dem hochrangigen Treffen mit Serbiens Präsident am Samstag im nordmazedonischen Ohrid Foto: Boris Grdanoski/ap

SARAJEVO taz | Serbien und Kosovo haben sich trotz mehrstündiger Verhandlungen unter Beteiligung der EU am Samstag nicht auf die Unterzeichnung eines Abkommens zur Normalisierung der Beziehungen beider Länder einigen können. Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, erklärte dennoch nach der Marathonsitzung in der nordmazedonischen Stadt Ohrid in der Nacht zum Sonntag „wir haben einen Deal.“

Kosovo und Serbien hätten sich auf den Anhang des vorgeschlagenen Grundlagenvertrags zur Normalisierung der Beziehungen untereinander geeinigt, betonte Borrell nach zwölfstündigen Gesprächen am Samstagabend gegenüber Reportern. Das elf Punkte umfassende Dokument der EU biete ein Rahmenwerk, in dem beide Seiten sich verpflichten würden, auf Gewalt bei der Beilegung von Konflikten zu verzichten. Doch noch ist nichts beschlossen.

Wie schon beim vorausgehenden Treffen in Brüssel reiste der serbische Präsident Aleksandar Vučić ab, ohne das Abkommen zu unterzeichnen. Der kosovarische Premierminister Albin Kurti war jedoch wie in Brüssel auch in Ohrid bereit, das Abkommen in der vorliegenden Form zu akzeptieren. „Ich habe heute nichts unterschrieben“, erklärte Vučić vor Journalisten in Ohrid. „Wir haben auf jeweils unterschiedliche Weise aufgezeigt, wo für uns die jeweiligen roten Linien sind.“ Die Atmosphäre der Gespräche bezeichnete er als „konstruktiv“.

Bei allem diplomatischen Geplänkel ist klar geworden, dass beide Seiten nicht von ihren Positionen abgerückt sind. Serbien werde Kosovo niemals diplomatisch anerkennen, mache höchstens Zugeständnisse bei Einzelpunkten, heißt es in Belgrad. Für Vučić stellt jede Aufweichung der harten Haltung gegenüber Prishtina ein politisches Risiko dar. Schon im Vorfeld des Treffens demonstrierten Tausende nationalistische Extremisten in Belgrad.

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der autoritär regierende Vučić nicht Kenntnis von den Demonstrationen hatte. Dass Rechtsradikale in Serbien mit „heißen“ Protesten drohen, sollte Vučić in Ohrid „kapitulieren“, könnte sogar seine Verhandlungsposition gegenüber der EU und den USA stützen. Er will unbedingt den Verbund serbischer Gemeinden im Kosovo durchsetzen. Auch an diesem Punkt ist sich Vučić der Unterstützung Russlands und Chinas im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen sicher.

Rote Linie: Status der serbischen Gemeinden in Kosovo

Die Albaner dagegen stehen im Regen. Für Borrell und der EU ist klar, dass sie in der Frage der serbischen Gemeinden nachgeben müssen. Kurti kann aber dem Verbund serbischer Gemeinden, vor allem in Bezug der Bildung eines territorial definierten serbischen Teilstaats nicht zustimmen – 20 Prozent der Fläche würden dann von 6 Prozent der Bevölkerung kontrolliert. Die 1,8 Millionen Einwohner wären dann der Politik der serbischen Regierung, die natürlich die „Selbstverwaltung“ der 120 000 Serben im Lande übernehmen würde, ausgesetzt.

„Der Deal“ sollte ein „angemessenes Maß an Selbstverwaltung für die serbischen Gemeinschaften im Kosovo gewährleisten“, sagte aber der EU-Spitzendiplomat. Voraussetzung sei, dass Kosovo sofort Verhandlungen in Bezug auf den Status der serbischen Gemeinden aufnimmt. „Wenn ich sofort sage, dann meine ich auch sofort“, erklärte Borrell.

Der links-demokratische Reformer Kurti würde damit endgültig seine eigene Position des Aufbaues eines multinationalen demokratischen Staates aufgeben. Er würde damit auch die anderen Minderheiten wie die der zahlenmäßig recht starke Minderheit der Roma (Ashkali, Ägypter), Bosniaken und die anderen in Kosovo benachteiligen. Artikel 7 des Abkommens verpflichte Prishtina nun dazu, die Umsetzung dieses Punktes umgehend einzuleiten, sagte Borrell. Aber noch kämpft die Kosovoregierung darum, diese Regelung im Einklang mit den Gesetzen über Minderheiten in der EU und im Europarat zu gestalten.

Anerkennung der jeweiligen offiziellen Dokumente

Für Kosovo positiv wäre, so die EU-Verhandler, dass das Abkommen eine de-facto-Anerkennung des jeweils anderen Staates bedeutete, indem der Kosovo und Serbien gegenseitig ihre Reisedokumente, Diplome, Autokennzeichen und Zollstempel akzeptieren würden. Die EU hat Serbien aber keine weiteren konkreten Forderungen auferlegt, den Kosovaren den Weg in die internationalen Strukturen zu erleichtern. Von einer Mitgliedschaft in der UNO ganz zu schweigen.

Der Druck der EU, so einige journalistische Beobachter der Verhandlungen in Ohrid, wird vor allem auf die kosovarische Seite ausgeübt. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewann die Beilegung des Kosovo-Konflikts für den Westen wieder an Bedeutung, betont die dpa. Immerhin hat die EU zugestimmt, das Visaregime für Kosovo am 1. Januar 2024 aufzugeben. Ab dann können auch Kosovaren frei in Europa reisen.

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