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Wirtschaft sagt Nein zum VolksentscheidKein gutes Klima fürs Plakat

Nach der Industrie- und Handelskammer halten nun auch die Unternehmensverbände Berlin Brandenburg Klimaneutralität bis 2030 nicht für umsetzbar.

Am Sonntag steht in Berlin der Volksentscheid über Klimaneutralität bis 2030 an Foto: dpa

Berlin taz | Man kann sich nicht aussuchen, wer vor der eigenen Tür plakatiert, sei es bei Wahlen oder nun beim Klima-Volksentscheid. „Früher ist alles besser“ wirbt die Initiative Berlin 2030 klimaneutral vorm „Haus der Wirtschaft“, gleich gegenüber vom Schillertheater. Drinnen sieht man das ganz anders: „Klimaneutralität 2030 ist eine Illusion“, sagt da vor Journalisten der Chef der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck, „es wird über ein Gesetz abgestimmt, das nicht umsetzbar ist und Berlin schadet.“

Fünf Tage vor dem Volksentscheid ist die Abstimmung neben Forderungen an den nächsten Senat das zentrale Thema der UVB-Jahrespressekonferenz. Der Dachverband, nach eigener Sicht „die Stimme der Wirtschaft in der Hauptstadtregion“, führt für sein Nein Gründe an, die so ähnlich bis Januar auch von den Grünen zu hören gewesen waren. Die hatten noch im Dezember beim ablehnenden Beschluss des rot-grün-roten Senats wie nun Amsinck damit argumentiert, dass das Ziel zwar wünschenswert, aber von Berlin allein nicht zu erreichen sei.

So positionierte sich vergangene Woche auch die Industrie- und Handelskammer: Man halte ein klimaneutrales Berlin 2030 „zwar für erstrebenswert, aber angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen für nicht realistisch umsetzbar“. Nach Angaben der Volksentscheid-Initiative unterstützen zwar mehr als 100 Berliner Unternehmer ihr Anliegen – der jüngste IHK-Jahresbericht verzeichnet allerdings über 300.000 Mitgliedsunternehmen.

Ende Januar aber haben die Grünen bei einem Parteitag folgende Textpassage in ihr Wahlprogramm aufgenommen: „Wir begrüßen den Volksentscheid ‚Berlin 2030 klimaneutral‘ und wünschen ihm viel Erfolg.“ Fraktionschef Werner Graf sagte dazu damals der taz: „Das heißt nicht, dass wir dazu aufrufen, mit Ja zu stimmen.“

UVB-Chef Amsinck verwies am Dienstag auf Kosten allein für die energetische Sanierung des Wohnungsbestands, die bis 2030 pro Jahr 13 Milliarden Euro erfordern würden. Das wäre mehr als jeder dritte Euro im aktuellen Landeshaushalt – „dann müsste Berlin sich verschulden oder andere Aufgaben fallen lassen“. Und was Verbote für benzinbetriebene Autos anginge: Da müsste sich das Tempo beim Elektroladesäulen-Bau fast verfünffachen.

Vor dem Haus der Wirtschaft hat nicht nur die Klima-Initiative am Laternenpfahl plakatiert. Unter ihrer Forderung hängt auch über fünf Wochen nach der Abgeordnetenhauswahl noch das Bild des damaligen FDP-Spitzenkandidaten Sebastian Czaja, der gerne Senator geworden wäre. Ein gutes Klima für einen Volksentscheid-Erfolg ist diese Nähe nicht: Die FDP schaffte es im Februar nicht über die 5-Prozent-Hürde und damit nicht wieder ins Parlament – und Czaja nicht in die Regierung.

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7 Kommentare

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  • Die CSU will Bayern 10 Jahre später, also 2040, klimaneutral umgestaltet haben. Spätestens.

    www.gesetze-bayern...cument/BayKlimaG-2

  • NEIN! Wir können und wollen uns und "unsere Witschaft" nicht einschränken. Können ja andere machen. Wir wachsen weiter bis zum Ende. Irgendwann ist so wie so Schluss. Wohlstand und Spaß solange es geht. No Risk, no Fun!

  • Während der Volksentscheid für die Einhaltung eines Kimaziels kämpft, stellt BMW in seinen Showräumen einen neuen monströsen SUV vor, laut Spiegel ein Auto wie ein "Mttelfinger".

    Der superagressiv gestaltete SUV (Foto unten) ist ein Beispiel dafür, dass BMW es wagt, trotz aller Kritik an SUV ein neues Riesengefährt auf den Markt zu bringen, dass in seinem Design nichts anderes als eine einzige Kampfansage an all das ist, wofür die Klimabewegung steht.

    Die Nähe der Plakate ist gut, denn die FDP ist mitverantwortlich dafür, dass BMW trotz aller Beteuerungen für mehr Klimaschutz meint, sich im Design für sein neues SUV regelrecht auskotzen zu können, anderen kleineren nachhaltigeren Verkehrsteilnehmern symbolisch den Mittelfinger zeigen zu können.

    Mal sehen, wie die Klimabewegung auf diese symbolische Verhöhnung von Klimaschutz reagiert, die meint, mit der Elektrifizierung von SUV sei es getan.

    www.spiegel.de/aut...6?dicbo=v2-obb8ob1

  • Wenn man die Emissionen 1990 mit 100 ansetzt, sind wir aktuell bei ca. 60. Der Volksentscheid fordert, innerhalb von 7 Jahren Klimaneutralität zu erreichen, und als Zwischenziel bis 2025 die Emissionen um 70% gegenüber 1990 zu reduzieren. Das bedeutet: Innerhalb von nur 2 Jahren (wir haben bereits 2023) sollen die Emissionen gegenüber heute um die Hälfte reduziert werden. In nur 2 Jahren die klimarelevanten Emissionen um die Hälfte reduzieren - wie kann man ernsthaft glauben, daß das machbar ist?



    Praktisch bedeutet die Annahme des Volksentscheid, daß irgendwelche Aktivistengruppen mit Aussicht auf Erfolg darauf klagen können, beliebig radikale Maßnahmen durchzusetzen. Denn der Volksentscheid will ja diese vollkommen absurd unrealistischen Ziele rechtsverbindlich festschreiben. Will man sich diesen Ziel auch nur nähern, muß man zu wirklich extremen Maßnahmen greifen. Also zum Beispiel den privaten Pkw-Verkehr komplett verbieten, energieintensive Industriebetriebe ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze vollständig stilllegen, Schwimmbäder und andere nicht absolut notwendige öffentliche Einrichtunge schließen,



    die Temperatur in öffentlichen Gebäuden auf 15 Grad begrenzen u.s.w.



    Ohne diese oder ähnlich extreme Maßnahmen ist es völlig undenkbar, auch nur ansatzweise in die Nähe der von diesem Volksentscheid angestrebten Ziele zu kommen.

    • @yohak yohak:

      Selbst dann wäre die Erreichung der gesetzlichen Vorgaben nicht machbar.

    • @yohak yohak:

      Ja, die Arbeiter und ihre Plätze standen im Kapitalismus immer an erster Stelle! Das ist ja bekannt. Die Vorstellung zu leben, ohne für irgendwen als Sklave zu dienen und sich selbst zu beschäftigen erscheint uns perfekt auf Kapitalismus getrimmten Bürgern völlig abwegig. Da sag noch mal einer, Erziehung würde nicht wirken!

  • Selbst Befürworter des Gesetzes halten dieses für nicht umsetzbar. Andernfalls wäre man im besten Fall naiv.