Boston Bruins in der NHL: Kollektive Klasse
Die Boston Bruins spielen in der NHL rekordverdächtig gut – dank hervorragender Teamarbeit. Dagegen kommt das Team mit dem besten Profi nicht an.
E s hätte kaum besser laufen können für die NHL. Der beste Eishockeyspieler der Welt beweist auf ein neues, dass er, ja eben, der beste Eishockeyspieler der Welt ist. Und verliert trotzdem gegen die aktuell beste Mannschaft, die auf einem guten Wege ist, zumindest nach Zahlen die beste aller Zeiten zu werden.
Der 3:2-Sieg der Boston Bruins bei den Edmonton Oilers war am Montag nicht nur Eishockey auf allerhöchstem Niveau, eine Werbung für die Liga, sondern auch so etwas wie die Essenz der aktuellen Spielzeit der National Hockey League: auf der einen Seite die individuelle Brillanz des Superstars Connor McDavid, auf der anderen die perfekt geölte Maschinerie eines Teams, in dem alle die nötige Drecksarbeit verrichten.
Beide Tore der Oilers erzielte McDavid, eines schöner als das andere. Beim ersten nahm der Center einen langen Pass seines kongenialen Partners Leon Draisaitl auf und jagte den Puck ansatzlos dem gegnerischen Torhüter durch die Hosenträger. Beim zweiten tanzte er den Goalie dermaßen aus, dass der einfach resigniert in die Knie ging und sich nicht einmal mehr nach dem Puck streckte. Die Treffer 49 und 50 der laufenden Saison, mit denen er die Liste der erfolgreichsten Torjäger anführt, demonstrierten wieder einmal, warum McDavid sich schon im zarten Alter von 26 Jahren messen lassen muss an Legenden wie Mario Lemieux oder Wayne Gretzky.
Auf der anderen Seite zeigten die Bruins aber, warum nicht die Oilers an der Tabellenspitze stehen, sondern sie. Während Edmonton viel zu oft eine McDavid-Draisaitl-Show aufführt, ist Boston ein komplettes Team, bei dem zwar der tschechische Nationalspieler David Pastrňák mit seinen 42 Toren herausragt, aber vor allem in der Defensive jedes Rädchen ineinander greift – kein Team hat so wenige Tore kassiert wie die Bruins.
Mehr als nur Einzelkönner
Und so war auch der Siegtreffer gegen Edmonton symptomatisch: Pavel Zacha, ein sehr viel weniger berühmter Landsmann von Pastrňák, hatte den Puck eigentlich schon verloren, aber ließ nicht locker und stocherte ihn dann doch irgendwie ins Tor. „Wir haben vier Linien, die alle Eishockey spielen können“, sagte Bruins-Trainer Jim Montgomery nach dem Erfolg und meinte: nicht nur zwei großartige Einzelkönner.
Das musste dann auch McDavid anerkennen: „Wir haben hart gespielt und wir hatten unsere Chancen, aber sie sind nun mal die beste Mannschaft in der Liga.“ Um das zu analysieren, muss man allerdings kein Eishockeyexperte sein, sondern bloß Zahlen lesen können. 46 Spiele haben die Bruins bislang gewonnen, nur acht verloren und bereits 97 Punkte gesammelt. Wäre der Traditionsklub von der Ostküste in der Lage, diese Quote fortzusetzen, könnten am Ende neue Rekorde für die seit 1917 existierende NHL stehen.
Dabei hatte vor der Saison niemand die Bruins auf dem Zettel. Im vergangenen Jahr kam schon in der ersten Playoff-Runde das Aus, den frisch zur neuen Saison vom Assistenztrainer zum Chefcoach beförderten Montgomery traute niemand viel zu. Aber offensichtlich war er in der Lage, eine neue Mentalität in der Mannschaft zu verankern. „Wir sprechen fast jeden Tag darüber, wie wichtig das Mentale ist“, erklärte Center David Krejčí, ein weiterer Tscheche im Team, das Erfolgsgeheimnis. „Jetzt geht es darum, nicht nachzulassen, zusammenzuhalten, sich reinzuknien und konzentriert zu bleiben.“
Das wird vor allem in der Mitte April beginnenden K.-o-Runde wichtig sein. Denn eine gute reguläre Saison garantiert noch lange keinen Stanley-Cup-Sieg, weiß auch Mannschaftsopa Brad Marchand: „Diese Rekorde sind uns vollkommen egal, die bedeuten gar nichts, wenn du am Ende nicht den Cup gewinnst“, sagt der 34-jährige Kanadier – und auch hier geben ihm die Zahlen recht. Genau zehn Jahre ist es her, dass eine Mannschaft, die mit den meisten Punkten in die Play-offs ging, am Ende auch den Titel gewinnen konnte. Diesen Chicago Blackhawks wollen es die Boston Bruins nachtun – aber vielleicht kommt ihnen ja ein überragender Einzelkönner in die Quere.
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