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Zweite schwarz-grüne SondierungsrundeKeine Liebe, keine Kabale

Gerade weil CDU und Grüne keine großen Gefühle verbinden, könnte Schwarz-Grün besser klappen als eine mit Enttäuschungen behaftete linke Liebesehe.

Bettina Jarasch (Grüne) und Kai Wegner (CDU) vor dem ersten schwarz-grünen Sondierungsgespräch Foto: dpa

Berlin taz | Zum zweiten Mal sitzen CDU und Grüne am Mittwoch zum Sondieren zusammen, auf dem Euref-Campus in Schöneberg, neben der Großbaustelle am Ex-Gasometer. Nicht wenige in beiden Parteien und ihrem Umfeld meinen, dass man sich das sparen könnte: Lichtjahre würden inhaltlich wie lebensweltlich beide trennen, noch aufwändiger als die Bauarbeiten nebenan seien die für eine schwarz-grüne Koalition notwendigen. Doch braucht es wirklich emotionale Nähe zum Erfolg? Für Schwarz-Grün könnte genau das Gegenteil stimmen: dass eine nüchterne Verbindung tragfähiger ist als eine innige, aber schneller zu enttäuschende. Eine politische Zweckehe, für die frei nach Schiller gilt: ohne Liebe, aber auch ohne Kabale

Zu groß seien die Unterschiede gerade in der Innenpolitik. Und in der Wohnungspolitik. Und beim Verkehr. Das ist nicht nur vom linken Flügel der Grünen zu hören oder dem Nachwuchsverband der Partei, der sich schon vorige Woche gegen Schwarz-Grün wandte. Auch der konservativere Teil der CDU argumentiert ähnlich, der mit zwei Leuten in der sechsköpfigen CDU-Sondierungsgruppe vertreten ist. Dabei zeigen die vergangenen Jahre: Die angeblich große Nähe zwischen SPD, Grünen und Linkspartei hat nicht zu reibungslosem Regieren geführt. Die großen Streitthemen dabei? Innenpolitik, Wohnungsbau und Verkehr.

Wann immer man etwa früher mal mit SPD-Fraktionschef Raed Saleh von Koalitionsoptionen redete, sprach der oft von einer größeren „kulturellen Nähe“ zu Grünen als zur CDU. Das verhinderte aber auch nicht, dass die Koalitionspartner sich von ebendieser SPD gegängelt und, ja, düpiert fühlten. Regieren auf Augenhöhe war zu oft nicht erkennbar.

Dabei waren die Erwartungen groß gewesen. Mit „Gutes Regieren“ war 2016 im Koalitionsvertrag ein ganzes Kapitel überschrieben. Gemündet ist es in Streit und in nicht zu vereinbarenden Auffassungen, wie dieses Regieren tatsächlich aussehen soll – gut oder eher traurig zu beobachten im Gezerre der Führungsfrauen Franziska Giffey und Bettina Jarasch um die Sperrung der Friedrichstraße in Mitte.

Ein schwarz-grünes Bündnis hätte eine ganz andere Ausgangslage. Das wäre keine Liebesheirat, sondern eher eine nach dem bäuerlich-pragmatischen Heiratsprinzip „Schönheit vergeht, Hektar besteht“. Die Grünen würden erst gar nicht darauf hoffen können, die CDU für eine autofreie Stadt zu begeistern. Und bei den Christdemokraten wäre klar, dass sie eine flächendeckende Videoüberwachung nicht durchbekommen könnten.

Dringend Nötiges vor Visionen

Von Anfang an würden sich beide Seiten zwangsläufig auf das Machbare beschränken. Nun ist der Einwand absehbar: Was bleibt dann noch? Und: Wo sind da die Visionen, große gesellschaftliche Projekte und der Blick auf das Berlin von 2050?

Doch in der Stadt läuft derzeit im schlichten Alltag so viel nicht rund, dass es erst mal keine Visionen, sondern viele, viele Reparaturen braucht, teils wortwörtlich: vom schlechten Zustand vieler Schulen über die Verwaltungsmisere, die Personalausweisanträge genauso betrifft wie Wohnungsbau, über marode Straßen und Brücken bis hin zur gedachten Selbstverständlichkeit: allen im wachsenden Berlin ein dauerhaftes Dach über dem Kopf zu bieten.

Bei der zwischen CDU und Grünen völlig umstrittenen Verlängerung der Stadtautobahn A100 über die Spree hinaus ließe sich genau jener Passus übernehmen, mit dem schon die bisherigen rot-grün-roten Koalitionspartner in ihrem Vertrag von 2021 das Thema von sich schoben: „Planung und Bau des 17. Bauabschnitts der A100 wird in der neuen Legislaturperiode durch die Landesregierung nicht weiter vorangetrieben“, steht dort kurz und knapp auf Seite 66. Was umso mehr gilt, weil Autobahnbau Sache der Bundesregierung ist.

Als Konflikt bliebe die Enteignung großer Wohneigentümer, von der CDU abgelehnt, bei den Grünen zumindest nicht unumstritten. In einer rot-grün-roten Koalition unter Giffeys Führung aber ließe sich die genauso wenig umsetzen wie mit der CDU und ihrem Vorsitzenden Kai Wegner.

Eine solche Konzentration auf das Machbare setzt auch ein bescheideneres Selbstverständnis voraus: dass ein Berliner Senat eben nicht wie zu Zeiten von Willy Brandt und Egon Bahr Weltpolitik macht, sondern als Stadt- und Landesregierung die Daseinsvorsorge einer 4-Millionen-Metropole zu sichern hat.

Ein Bündnis für drei Jahre

Auf dieser Basis könnten CDU und Grünen das zusammenbringen, was sie schon gemeinsam haben. Gerade beim Thema Verwaltungsreform, das so dröge klingt und doch der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme ist, haben beide Seiten schon detaillierte Vorschläge gemacht und kämen zueinander.

Nicht unwichtig: Wer auch immer künftig koaliert, bindet sich nicht für eine komplette neue fünfjährige Wahlperiode, sondern nur für die verbleibenden dreieinhalb jener Wahlperiode, die nach der nun wiederholten Wahl vom 26. September 2021 begonnen hat. Das Projekt hieße: drei Jahre konzentriert an der Sache, jenseits jedwelcher Ideologien.

Das soll nun kein Plädoyer für eine Technokratenregierung aus lauter Experten sein. In diese Richtung ist Regierungschefin Giffey schon 2021 gegangen, als sie mit unterschiedlichem Erfolg den Unternehmer Stephan Schwarz zum Wirtschaftssenator machte und die langjährige Schulleiterin Astrid-Sabine Busse mit dem Bildungsressort betraute.

Die Ausprägung der Koalitionspartner muss und soll erkennbar sein. Anders ließe sich auch nicht herausfinden, ob Schwarz-Grün nicht auch über die nötigen Reparaturarbeiten hinaus tragfähig ist. So tragfähig, dass vielleicht doch noch die eine oder andere Vision entstehen kann.

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6 Kommentare

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  • Ein Resultat von Schwarz-Grün wird bei der nächsten Wahl zu sehen: Die CDu wird weiter gewinnen in einer Koalition in der die Grünen zu kontrollieren und handzahm sein werden (vgl. u.a. Hessen).



    Die Grünen werden massiv Wähler verlieren, weil sie wenig Chancen haben, ihre Politik anzugehen. Und weil das Vertrauen vor der Wahl, dass Grün wählen nicht CDU wählen heisst, fustch ist.

  • Ist die CDU wirklich der geeignte Koalitionspartnern um "allen im wachsenden Berlin ein dauerhaftes Dach über dem Kopf zu bieten"?



    Sorry, aber bisher war sie nur dafür bekannt, in Berlin ein Dach über dem Kopf zu dauerhaft wachsenen Mieten zu ermöglichen...



    Diverse CDU-regierte Länder beweisen jedenfalls, dass das anderswo erst recht keine "Selbstverständlichkeit ist"

  • Die Grünen koalieren mit einer Partei, deren führendes Mitglied Mike Mohring auf einem Faschingwagen mit folgenden Sprüchen fuhr:

    »›Zigeunerschnitzel‹ soll man nicht sagen – mit ›Gender-Sternchen‹ sich dafür rumplagen. Wir pfeifen auf die Sprachpolizei – und fahrn als ›Indianer‹ an Euch vorbei.« ?

    Friedrich Merz, der Große Vorsitzende, schweigt zum Verhalten von Mohring, der Mitglied im Präsidium der CDU ist.

    Professor Martin Wagener sekundiert Mohring dafür auf Twitter: "Er dürfte sich bestätigt sehen: Empörung in Medien und Politik!"



    Wagener bildet als Professor an der Hochschule des Bundes Geheimdienstler aus.



    Der BND hat ihm im letzten Jahr die Beschäftigung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit untersagt.



    Grund: Der Verfassungsschutz sieht Anhaltspunkte für eine extremistische Einstellung!

    Und schon vergessen, dass Grüne und CDU den Frankfurter Flughafen ausbauten und so manches Waldstück in Hessen dem Straßenausbau opferten? Auch Akten zum NSU-Skandal wurden - wütende Proteste der Familien der NSU-Opfer ignorierend - von der hessischen Koalition aus CDU und Grünen geheim gehalten!

    Zu derartigen nassforschen, realistischen Opportunismus sind Grüne und CDU in Berlin (noch) nicht in der Lage!?!

    Der Grünen-Vorsitzenden Jarasch muss zu Gute gehalten werden, dass sie die ursprünglichen Werte ihrer Partei (noch) vertritt und sie nicht wie einst Nouripour in Hessen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zugunsten der eigenen politischen Karriere verkauft!

    www.tagesschau.de/...professor-103.html

    twitter.com/martin_wagener

  • Liebesheirat, Zweckehe - was soll denn dieser Quatsch? Es geht um eine Regierungskoalition, dafür braucht es ein Mindestmaß an gemeinsamen Zielen. Ob das bei Grün-Schwarz vorhanden wäre, ist die Frage. Und ein bisschen mehr, als 3 Jahre lang nur die Verwaltung aufzuräumen, sollte doch schon dabei rauskommen.

  • Naja. Das Liebesdrama-Thema, das auch schon in einem anderen Artikel angebracht wurde, ist etwas platt und albern.



    Und das Thema Verkehr(swende) ist neben Wohnen auch ein sehr großes für die Stadt. In beiden Bereichen sind mit der CDU keine Verbesserungen zu erwarten, im Gegenteil.



    Ob mit der SPD soviel möglich wäre, ist ein anderes Thema. Aber mit linksgrün hat die SPD da immer noch ein Korrektiv.



    Schwarz-Grün klingt eher nach Pattsituation in allen Bereichen.

  • Ein guter Kommentar mit einer schlüssigen Lösung