: Karnevalslaien haben mehr Spaß
Der VfB Stuttgart gewinnt erstmals ein Spiel unter Trainer Labbadia. Der Umgang mit den Chancen zeigt,weshalb das Team in Nöten ist. Und so harmlos wie an diesem Tag der 1. FC Köln sind Gegner selten
Aus Stuttgart Christoph Ruf
Der Mann des Tages tat so, als wäre nichts Besonderes passiert. Der überzeugende 3:0-Sieg gegen schwache Kölner? Nicht der Rede wert für Borna Sosa: „Wir wussten, dass wir unbedingt gewinnen mussten.“ Sein toller Freistoß (59. Minute), genau in den Winkel, zum vorentscheidenden 2:0? Der kroatische Nationalspieler, der nach seiner Verletzungspause erst zum zweiten Mal wieder in der Startelf stand und gleich bester Mann war, behauptete, er trainiere so etwas nicht. Wenn er mal Standardsituationen übe, dann „nach dem Training und nur aus Spaß. Im Fußball gibt es viele Situationen, in denen du improvisieren musst.“ Und überhaupt sei das alles ganz egal. „Wir haben verdient, dieses Spiel zu gewinnen. Und wir sind sehr froh, dass es diesmal geklappt hat.“
Tatsächlich hätte der VfB die Partie auch noch deutlicher gewinnen können. Denn der 1. FC Köln fiel am Samstag als konkurrenzfähiger Gegner weitgehend aus und sorgte geradezu folgerichtig dafür, dass bei den Stuttgartern eine eher peinliche Serie riss. Zuvor hatte man zuletzt am 4. April 2021 ein Heimspiel ohne Gegentor bestritten. Aufgrund der Kölner Harmlosigkeit war auch die Leistung von Stuttgarts Keeper Fabian Bredlow nicht zu beurteilen. Der soll auch künftig den zuletzt unsicher wirkenden Florian Müller ersetzen, was Bredlow nach eigener Aussage „am Donnerstag erfahren hat, weil mir ein Freund einen Text aus dem 'Kicker geschickt hat“. Bredlow hielt, was zu tun war. Und das war nicht viel, denn wenn überhaupt versuchte es Köln mit hohen, weiten Bällen, die irgendwo herunterkamen, selten allerdings im Stuttgarter Strafraum.
Schon gegen Bremen (0:2) und vor allem beim 1:2 in Freiburg hatte der VfB ordentlich gespielt, war aber unterlegen, weil wenige gegnerische Chancen zu Toren führten – eigene aber nicht. Diesmal lief es besser: Gil Dias schoss früh das 1:0 (9.), dann hatte Sosa seinen Glanzauftritt beim 2:0 und „das Spiel war gelaufen“, wie der Kölner Trainer Steffen Baumgart zugab.
Doch auch an diesem perfekten Samstag, den Tanguy Coulibaly mit dem 3:0 abschloss (74.), war nicht zu übersehen, warum der VfB in den vorherigen 20 Spielen so viele Chancen gebraucht hat, um dennoch zu so wenigen Toren zu kommen. Die Art und Weise, wie Dias eine Nachschussmöglichkeit versemmelte (53.), dürfte seinem Trainer Bruno Labbadia ebenso wenig gefallen haben wie eine Aktion von Silas. Dem hatte man offenbar zuvor so oft gesagt, dass auch mal ein Stürmer treffen müsse, dass er es im genau falschen Moment probierte, anstatt nach rechts oder nach links zu spielen, wo zwei Kollegen bereitstanden (65.).
„Wenn du solche Spiele verlierst wie wir in den vergangenen Wochen, dann tut das einfach weh“, sagte Bruno Labbadia nach dem Spiel. Umso erleichterter war der Coach, der zuvor nur zwei Punkte aus fünf Partien geholt hatte: „Es ist schön, dass wir gewonnen haben, das ist das, was die Mannschaft gebraucht hat.“ Ärgern musste sich auch Sportdirektor Fabian Wohlgemuth, der ebenfalls seinen allerersten Stuttgarter Sieg erlebte, an diesem Nachmittag tatsächlich nur über die Chancenverwertung: „Wir hatten gute Kombinationen und Balleroberungen, die wir leider nicht immer konsequent zu Ende gespielt haben.“
Ganz anders die Stimmungslage bei den gut 6.000 nach Stuttgart gereisten FC-Fans, von denen defensiv geschätzt 99 Prozent in Karnevalskostümierung zu den schwäbischen Karnevalslaien gereist waren. Die guckten auf dem Heimweg mit tieftraurigem Blick aus quietschgelben Brillen und farbenfroh gestreiften Kostümen heraus, was an sich schon wieder ein lustiger Anblick war. Offenbar hatten auch sie etwas mehr erwartet als nichts. Zumal die Konstellation zuvor exakt so gewesen war, wie sie der Kölner Sport-Geschäftsführer Christian Keller nach dem Spiel beschrieb: „Das war tabellarisch ein wichtiges Spiel für uns. Wir hatten die Chance, uns noch weiter von den hinteren Plätzen abzusetzen und Fantasien Richtung Platz sieben entwickeln zu können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen