Kampagne für Vertragsverlängerung: Amazon kann Betriebsrat entbehren
Der Arbeitsvertrag eines Betriebsrats von Amazon in Wunstorf soll nicht verlängert werden. Ver.di vermutet, dass das an seinem Engagement liegt.
Eine Petition für „Samuel“ auf der Internetplattform change.org ist von mehr als 26.000 Menschen unterschrieben worden. Kollegen von ihm haben sich an die taz gewandt und Amazon aufgefordert, Atuegbu einen Festvertrag zu geben.
Laut dem Betriebsverfassungsgesetz dürfen Betriebsräte „wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden, dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung“. Arbeitsrechtliche Kommentare gehen davon aus, dass es unzulässig ist, ein Arbeitsverhältnis wegen der Betriebsratsarbeit nicht zu verlängern. Das gelte auch bei befristeten Arbeitsverträgen, wenn andere befristet Beschäftigte übernommen werden, nur das Betriebsratsmitglied nicht.
Atuegbu sagt, von 18 Beschäftigten seiner Gruppe habe Amazon 16 übernommen – „nur mich und eine alte Frau nicht“. Er habe keinen Festvertrag erhalten, „obwohl er viele Kriterien erfüllt, auf die Amazon bei Vertragsverlängerungen üblicherweise achtet“, sagt Ver.di. Das sei eine eindeutige Benachteiligung aufgrund der Betriebsratstätigkeit und ein Angriff auf die Mitbestimmung im Unternehmen.
Amazon weist das zurück: „Der Vertrag des angesprochenen Mitarbeiters läuft aus, das ist alles“, versicherte ein Sprecher. Amazon kommuniziere klar, dass befristete Verträge ein reguläres Enddatum hätten und die Firma nicht voraussagen könne, ob sie verlängert oder umgewandelt werden könnten. Amazon lege Wert auf ein respektvolles Verhalten und wende dieselben Maßstäbe bei allen Mitarbeitern gleichermaßen an. Seit der Gründung des Betriebsrats habe Amazon fünf Betriebsratsmitglieder oder Nachrücker in einen unbefristeten Vertrag übernommen.
Amazon-Pressestelle
Nonni Morisse, Ver.di-Sekretär für Amazon, sind nur vier Entfristungen bekannt, zwei von der Ver.di-Liste, zwei weitere von einer arbeitgebernahen Liste. Eines der Ver.di-Mitglieder sei nur unter großem Druck des Betriebsrats entfristet worden und weil die gute Bewertung des Mitarbeiters dokumentiert gewesen sei.
Morisse vermutet, dass Atuegbu für Amazons Geschmack im Betrieb zu aktiv gewesen sei. Atuegbu hatte den Betriebsrat in Wunstorf im vergangenen Jahr mitgegründet. Er gilt als Sprachrohr der afrikanischen Community im Betrieb.
Atuegbu selbst sagt: „Ich kämpfe für die Leute.“ Vielen habe er überhaupt erst klar gemacht, welche Rechte sie hätten. Erfahrung mit gewerkschaftlicher Arbeit, allerdings unter weit schwierigeren bis geradezu gefährlichen Bedingungen, bringe er aus Nigeria mit. Von dort sei er vor neun Jahren als Asylsuchender nach Deutschland gekommen.
Zu den Erfolgen seiner Betriebsratsarbeit zählt Atuegbu, dass seine Kollegen nicht mehr standardmäßig Überstunden leisten müssen. Der Betriebsrat muss Überstunden zustimmen; entsprechend frei ist der Arbeitgeber, wenn es überhaupt keinen Betriebsrat gibt.
„Am Standort Wunstorf wurde bislang keine Übereinkunft mit dem Betriebsrat dazu erzielt“, teilt Amazon mit Blick auf Überstunden mit. Derzeit befänden sich Standortleitung und Betriebsrat in neuerlichen Gesprächen zu dem Thema.
Atuegbu wirft Amazon auch vor, seine Arbeitszeit im Betriebsrat sei ihm nicht, wie es vorgeschrieben ist, vergütet worden. Amazon stellt dazu fest: „Der besagte Mitarbeiter leistet die Gremienarbeit innerhalb seiner Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit und wird dementsprechend selbstverständlich bezahlt.“
Hier könnte es allerdings auf Details ankommen. Denn Morisse zufolge arbeitete Atuegbu in einem Dreischicht-System. Weil nicht in jeder Schicht eine Betriebsratssitzung abgehalten werden könne, fielen die Sitzungen stets bei einigen Betriebsratsmitgliedern nicht in die Schicht. Aber auch diese Zeit müsse natürlich vergütet werden. Seit Ende vergangenen Jahres sei das zumindest in Wunstorf auch der Fall.
Ver.di hofft, dass Amazon in Atuegbus Fall einlenkt: „Wir fordern Amazon auf, Samuel einen Festvertrag zu geben, ihn nicht weiter zu benachteiligen und den ganzen Betriebsrat damit zu schwächen.“
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