Performance in Hannover: Empowerment in Lichtgeschwindigkeit

Im Stück „K(no)w Black Heroes“ von Mable Preach zeigen zwei Schwarze Frauen ihr Ringen um Identität und kulturelle Heimat.

Zwei Frauen in Jumpsuits stehen sich in Kampfposition gegenüber

Furien der Erinnerung: Florence Adjidome und Precious Wiesner Foto: Isabel Machado Rios

HANNOVER taz | Zwei überbordend verspielte Comedy-Frauen singen, tanzen und skandieren in stilvoll bunten Jumpsuits: Es geht um ihre Lebenseinstellung als Schwarze mit bundesrepublikanischem Pass, nämlich trotzdem afrikanisch sein zu wollen, auch wenn wir sie lieber deutsch hätten, und trotzdem deutsch sein zu wollen, auch wenn uns ihr Schwarz-Sein nicht passe. Grenzenlos und unverschämt bleiben, ist ihr geäußertes Ziel.

Mitreißend unerschütterlich dabei die Energie, ansteckend der politische Wille des Empower­ments. Fast alle Zu­schaue­r:in­nen der Premiere von „K(no)w Black Heroes“ erheben sich prompt zu Standing Ovations im Ballhof 2 am Staatstheater Hannover. Das Bedürfnis scheint groß für solche Selbstermächtigungen, an denen je­de:r mit eigenen Debatten um Identität und kultureller Heimat emotional andocken kann. Dass hier aber mal die Black Community einige Fragen ihrer Lebensrealität von ausschließlich Schwarzen Künstlerinnen auf einer Bühne des deutschen Stadt- und Staatstheatersystems gespiegelt und mehrheitsgesellschaftliche Narrative neu geschrieben sieht, ist eine große Ausnahme und daher umso erfreulicher. Erst recht, weil es nicht um theatrale Umarmungsgesten, sondern das Ausstellen von Differenz geht.

Dass dafür Mable Preach als regieführende Anheizerin engagiert wurde, überrascht nicht, hat sie sich doch in Hamburg mit ihrer Arbeit auf Kampnagel mit dem Kultur- und Jugendverein Lukulule den allerbesten Ruf als virile Animateurin emanzipatorischen Theaters erarbeitet. Nach Hannover bringt sie die Schauspielerin/Sängerin/Tänzerin Precious Wiesner mit und lädt aus dem Staatstheater-Ensemble Florence Adjidome dazu.

In den Rollen von Akos und Essinam geben sie sich genervt von einer Welt, die keine Schwarzen Hel­d:in­nen der Wissenschaft kenne. „Blame das Bildungssystem!“, rufen die beiden. Sie fühlen sich fremd in Europa, wie Aliens, und düsen mit ihren Träumen von einer besseren Welt in einem selbstgebauten Raumschiff – als „safer space“ gegen rassistische Mikro- und Makroaggression – ins Universum Richtung Stern Kepler-160. „Space is the place“, ist Fluchtpunkt vor Rassismus und utopische Projektionsfläche von Gleichberechtigung, das hatte der afroamerikanische Jazzer Sun Ra bereits in den 1970er Jahren behauptet. Die Flugzeit in Lichtgeschwindigkeit wollen die Astronautinnen nutzen, um sich mit Schwarzen Er­fin­de­r:in­nen als Hel­d:in­nen zu beschäftigen, die von weißer Geschichtsschreibung verdrängt bis verleugnet worden seien. Nun sollen sie als Vorbilder dienen.

K(no)w Black Heroes, Staatstheater Hannover, Ballhof 2, wieder am 28. 2. sowie 1. 3. jeweils 19.30 Uhr

Akos und Essinam sind aufklärerische „Furien der Erinnerung“ wie schon die Frl. Wunder AG mit ihrem Gastspiel am Staatstheater. Das Performancekollektiv hatte 2020 ebenfalls im Ballhof 2 die Präsenz von Frauen in der Geschichte der Kunst dem Vergessen entreißen wollen. Für neun Biografien gab es jeweils eine Mini-Hommage. Die szenischen Mittel und die Dramaturgie der Lecture Performance waren eher schlicht, die Darbietung selbst aber höchst charmant. So ist es nun wieder – wenn die Schwarzen Krea­teu­r:in­nen etwa des Bleistiftanspitzers, der Monatsbinde, Ampel, Gasmaske, Teigknetmaschine oder des Wandklappbetts im Plaudertonfall erwähnt, aber leider nicht inhaltlich groß gewürdigt werden.

Die Namen sind eher Kicks für die „Be proud of your past“-Didaktik: „for a powerfull future“. Die im hektischen Entertainmentkonzept des Abends aber kaum erblüht. Kann sich das Darstellerinnen-Duo doch nie lange auf den Cockpitstühlen halten und wechselt gefühlt im Minutentakt zwischen Name-Dropping, spaßigen Kabbeleien, Zitaten Schwarzer Popkultur wie auch Quiz-Spielen, Bewegungen zu Musik, einer wunderbaren Blues-Einlage Wiesners und Kürzestreferaten. Da geht es dann um die Nutzung des N-Wortes im Hip-Hop oder die These, der Begriff Rasse sei kein soziales, sondern ein koloniales Konstrukt.

Eine locker-lustig performative Show entsteht so, die vieles antippt, nichts wirklich verhandelt, sodass die flotten Themensetzungen schnell verpuffen. Aber alles läuft auf die Empowerment-Szene des Finales zu, ein Moment nur, aber ein hochwirksamer.

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