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Periodenspender in Berlin-LichtenbergSo normal wie Klopapier

Der Stadtteil weitet sein Angebot an Menstruationsartikeln aus. Das soll enttabuisieren und Menschen helfen, für die sie zu teuer sind.

Rares Gut: Nur auf wenigen öffentlichen Toiletten gibt es kostenfreie Periodenprodukte Foto: Imago Images

BERLIN taz | Gerade einmal 19,60 Euro sind im neuen Bürgergeld für Hygieneartikel vorgesehen. Neben Seife und Zahnpasta zählen Tampons und Binden dazu. „Auf den ersten Blick scheinen Periodenartikel nicht teuer zu sein, aber nicht alle menstruieren gleich. Wenn eine Person mehrere Packungen Binden braucht und dazu Schmerzmittel, dann ist das Budget schnell aufgebraucht“, sagt Annabel Haas-Krahé von der Berliner Initiative „Faire Periode Lichtenberg“.

Die Privatinitiative fordert kostenfreie Periodenartikel in allen öffentlichen Toiletten des Stadtteils. Sie wurde von fünf Frauen ins Leben gerufen, die im Bezirk leben und arbeiten. In einem Pilotprojekt hat sie letztes Jahr erreicht, dass der Stadtteil Lichtenberg zwölf Automaten mit kostenlosen Periodenartikeln in Bibliotheken, Jugend- und Sportzentren sowie im Bezirksamt aufhängte. Dieses Jahr fördert das Bezirksamt den Ausbau des Projekts mit rund 20.000 Euro.

Der erste metallfarbene Spender in Lichtenberg mit einem Schlitz für Binden und einem Fach für Tampons hängt seit März letzten Jahres in der Damentoilette des Vereins für aktive Vielfalt (VaV) in Hohenschönhausen. In dem Haus befinden sich auch noch eine Wohnungslosenhilfe und die Koordinierungsstelle Alleinerziehende Lichtenberg.

Besonders für heranwachsende Frauen, teilweise armutsbetroffen, stelle die Nutzung von Hygieneartikeln, oftmals eine nicht zu leistende finanzielle Belastung dar, erklärt Camilla Schuler, Lichtenbergs Bezirksstadträtin für Gesundheit, in einer Pressemitteilung zur Ausweitung des Angebots.

Haas-Krahé betont zudem die Tabuisierung der Periode, die vor allem bei jungen Menschen immer noch bestehe. Der Zugang zu Tampons und Binden sei nicht so normal wie die Benutzung von Toilettenpapier. „Das betrifft die reiche Anwaltstochter vor einem Referat in der Schule genauso wie eine menstruierende Person, die das Bürgergeld bezieht“, so Haas-Krahé.

Im selben Boot

Weil der Bedarf in Lichtenberg das bisherige Angebot übersteige, soll es in diesem Jahr ausgeweitet werden, resümiert Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke). „Die große Resonanz zeigt, dass wir absolut richtig damit liegen, Menstruationsartikel kostenlos in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen.“

Vor allem in Schulen und Jugendeinrichtungen wird das Projekt nun ausgeweitet. „Die bestehenden Spender werden sehr regelmäßig genutzt“, sagt auch Haas-Krahé von der Initiative. Mit ihnen werde außerdem sehr wertschätzend umgegangen. „Das ist schon eine Sorge bei solchen Projekten, dass die Automaten beschädigt werden. Wir erleben hier aber keinen Vandalismus.“

Die Initiative legte dem Bezirksamt Anfang des Jahres eine Liste mit 30 Orten vor, die sich zum Aufstellen von Infomaterial und Spendern eignen. Ziel ist jedoch eine Ausstattung von allen öffentlichen Toiletten in Lichtenberg, das seien dann eher Hunderte Orte, meint Haas-Krahé. Der nächste Schritt in 2023 sei, herauszufinden, wie hoch der Bedarf sei und welche Einrichtungen mitmachen wollen.

Wichtig sei, die Schulleitung und die Schulsozialarbeit mit ins Boot zu holen, damit so ein Projekt erfolgreich werde, so Haas-Krahé. „Die meisten können sich an die Schultoiletten bestimmt nicht als den angenehmsten Ort erinnern“, meint sie. Um die Akzeptanz zu steigern, müssten also die Schü­le­r*in­nen selbst Verantwortung übernehmen wollen. An einigen Schulen gebe es schon private Projekte, die Spender und Infomaterial bereitgestellt hätten. Auch mit diesen muss die Bezirksverwaltung in Kontakt treten.

Interesse auch von anderen Bezirken

Nicht zu unterschätzen sei, dass mit dem Projekt Pionierarbeit geleistet werde, meinte Haas-Krahé. Es gebe keine Vorlage, man könne sich aber zum Beispiel an Schottland orientieren. Dort ist seit 2021 die freie Herausgabe von Periodenartikeln in öffentlichen Toiletten gesetzlich vorgeschrieben.

Bei der Initiative hätten sich jetzt auch weitere Bezirke gemeldet, die verstehen wollen, wie das Pilotprojekt so erfolgreich umgesetzt werden konnte, sagt Haas-Krahé. Sie hofft auf einen kostenfreien Zugang in ganz Berlin. Zumindest das Bezirksamt Pankow möchte Lichtenberg jetzt folgen: Insgesamt 20 Ämter des Bezirks, darunter das Bürgeramt und das Jugendamt, sollen mit Spendern ausgestattet werden. In anderen Stadtteilen gibt es bisher nur individuelle Lösungen.

Beispielsweise werden in Mahrzahn-Hellersdorf und Mitte an weiterführenden Schulen bei Bedarf Menstruationsartikel kostenfrei und niedrigschwellig zur Verfügung gestellt, so Susanne Gonswa, Sprecherin für Jugend und Familie der Senatsverwaltung für Bildung.

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2 Kommentare

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  • Warum überhaupt und nur für Frauen in Not sollte es gratis Menstruationsartikel geben? Warum nicht endlich aufhören damit, sich zu bereicheren an der Hälfte der Weltbevölkerung auf Grund ihrer Biologie? Mann nehme sich ein Beispiel an Schottland!

  • Okay, also wer hat sich das Wort "Periodenspender" ausgedacht? Richtig wäre "Menstruationsartikelspender" oder "Periodenartikelspender".

    Wir leben in eines Stadt mit dysfunktionaler Verwaltung, nur rund um das Thema Toilette scheint es wohl zu laufen (Unisex-Toiletten in den Behörden, Missoir, "Periodenspender"). Diese Stadt ist ein Shithole - metaphorisch und wörtlich.

    Eine Bezirksstadträtin verdient mehr als EUR 8.000 im Monat und dann kommt sowas dabei raus?