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das wirdWas vom Skandal übrig blieb

Um Documenta, Gedenken und Antisemitismus dreht sich ein prominent besetztes Symposium in Hamburg

Von Alexander Diehl

Die diesjährige Weltkunstausstellung Documenta in Kassel sorgte, vorsichtig gesagt, für Kontroversen: Müssen Kurator*in­nen aus dem globalen Süden die Rückgriffe einer als antisemitisch zu lesenden Bildsprache nachgesehen werden? Oder gerade nicht, weil das ja unterstellt, dass solche Leute es halt nicht besser wissen und oder können? Oder ist die westliche, nördliche, auch: von wiederum ganz eigenen Interessen bestimmte deutsche Weise, zu sprechen von Holocaust und Kolonialismus eben genau das: eine Weise nur, nicht die einzige? Und welche Funktion hat es für den deutschen Schulddiskurs, einiges an Schlimmstvorstellbarem bei jenen Kuratierenden abladen zu können?

Was in Kassel Tragödie war, erhielt die Wiederholung in Farce-Form in Hamburg: An der dortigen Kunsthochschule wirken zwei der Documenta-Kuratoren, Reza Afisina und Iswanto Hartono, seit Oktober als Gastprofessoren; ein Arrangement, längst angeschoben, als in Kassel die Wellen hochschlugen (und Verantwortliche ihre Stühle räumten). Von Anfang an signalisierte Hochschulpräsident Martin Köttering Zweierlei: Antisemitismus habe keinen Platz an seinem Haus – aber kategorische Gesprächsverweigerung gegenüber den vermeintlichen Unmenschen auch nicht.

Symposium „Kontroverse documenta fifteen – Hintergründe, Einordnungen und Analysen“: Mi, 1. 2., 18 Uhr; Do., 2. 2., 10 Uhr, Hamburg, HFBK/Aula; Eintritt frei, keine Anmeldung nötig

Ernst macht die HFBK nun in Gestalt eines anderthalbtägigen öffentlichen Symposiums: „Hintergründe und Zusammenhänge analysieren“ will man, „unterschiedliche Standpunkte ins Gespräch bringen und eine Debatte ermöglichen“. Los geht es am Mittwochabend mit Einführendem von Hamburgs grüner Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank sowie von Köttering selbst. Über „Ambiguitätstoleranz auf dem Prüfstand“ spricht danach der Tel Aviver Soziologe Natan Sznaider. Und über „Antisemitismus im Kunstfeld“ diskutieren der Wiener Politologe Oliver Marchart, Meron Mendel (Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt/Main) und die Berliner Kunsthistorikerin Julia Voss.

Am Donnerstag kommt mit Reza Afisina einer der umstrittenen Gastlehrenden selbst zu Wort – über „documenta fifteen aus indonesischer Perspektive“, es folgen Panels zu Antisemitismus- und Postkolonialismusforschung, „Kulturproduktion zwischen Dialog, Kritik und Boykott“ und „Kunst als soziale Praxis“.

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