piwik no script img

Neue Domizile für legendäre JugendclubsNoch viele Fragen offen

Potse und Drugstore haben sich erfolgreich Ausweichquartiere erkämpft. Optimal sind die Bedingungen aber nicht. Und die Zukunft bleibt ungewiss.

Die Potse hat es sich in der Zollgarage gemütlich gemacht. Jetzt muss sie nur noch gefunden werden Foto: David Baltzer/bildbuehne

Berlin taz | Es ist ruhig geworden um Berlins älteste selbstverwaltete Jugendzentren Potse und Drugstore. Nach jahrelangen Verhandlungen mit dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg haben nun beide Kollektive ein Dach über ihrem Kopf. Doch trotz der neuen Räume können die Jugendzentren immer noch nicht so arbeiten wie vor dem Auszug aus ihren alten Räumlichkeiten in der Potsdamer Straße 180.

Beinahe vier Jahre sind vergangen, seitdem die beiden Jugendzentren dort Platz machen mussten für das Coworking-Unternehmen Rent 24. Während der Drugstore der Aufforderung des Bezirks nachkam, widersetzten sich die Jugendlichen des Potse-Kollektivs mit einer fast drei Jahre andauernden Besetzung. „Ziel der Besetzung war es, so lange Druck auf den Bezirk auszuüben, bis er uns adäquate Ersatzräumlichkeiten zur Verfügung stellt“, sagt Paul, einer der Pressesprecher der Potse. „Wir hatten zwar im Gegensatz zum Drugstore noch einen Raum, doch die Jugendarbeit blieb bei all dem Stress trotzdem auf der Strecke.“

Im September 2021 war es so weit, die Potse unterschrieb einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag für die Zollgarage, mit der zweimaligen Option auf eine jeweils einjährige Verlängerung. Doch die Räumlichkeit am Tempelhofer Feld ist mehr Kompromiss als adäquater Ersatz, denn eine Nutzung wie bisher ist in der Zollgarage aktuell nicht möglich.

Man habe den Mietvertrag für die Zollgarage nur unterschrieben, weil es von der Stadtentwicklungsverwaltung die mündliche Zusicherung gegeben habe, „dass bauliche Veränderungen vorgenommen werden“, so Paul. Man habe ihnen damals „den Austausch des Teppichbodens, den Einbau von Beeinträchtigten-Toiletten und eine Verbesserung des Lärmschutzes“ versprochen. Jedoch ist bis jetzt noch keines dieser Vorhaben umgesetzt worden“.

Auf Anfrage der taz sagte ein Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung: „Bei Vertragsschluss war klar: Maßnahmen in der Mietfläche gehen zu Lasten des Mieters. Mündliche Zusagen sind uns nicht bekannt. Weder zu den WCs noch den Teppichböden.“

Die Potse ist nun in der denkmalgeschützten Zollgarage im Flughafen Tempelhof zu finden Foto: David Baltzer/bildbuehne

Wichtiger Standort für Berlins Jugendliche

Seit der Gründung im Jahr 1979 ist die Potse neben der KüfA (Küche für Alle) und Workshops vor allem für ihre kostenlosen und selbst organisierten Konzerte bekannt. Damit ist der Jugendclub ein wichtiger Standort für Berlins Jugendliche, die so fernab von Drogen und hochprozentigem Alkohol ihre ersten Partyerfahrungen sammeln konnten.

Trotz der Umstände versucht das Potse-Kollektiv die ihr zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten so gut es geht zu nutzen. Bis jetzt veranstalteten sie neben ihrem legendären Punkrock-Tresen, mehrere queere Workshops. Auch ein kleines akustisches Konzert konnte stattfinden.

Lehne, ein langjähriger Gast der Potse und mittlerweile Kollektiv-Mitglied, freut sich zwar, dass nun endlich wieder kleinere Veranstaltungen stattfinden können. Es kämen aber weniger Leute als vorher. „Während früher bis zu 150 Leute zum Punkrock-Tresen kamen, sind es heute maximal 50.“ Das Kollektiv-Mitglied vermutet das Problem bei der versteckten Lage der Zollgarage und der aufgrund des Denkmalschutzes fehlenden Außenwerbung. „Es kommt nicht selten vor, dass wir Leute, die zur Potse wollen, abholen müssen, weil sie uns einfach nicht finden.“

Ein langjähriger Gast der Potse freut sich, dass nun endlich wieder kleinere Veranstaltungen stattfinden können. Es kämen aber weniger Leute als vorher

Dass die gewünschten Umbauten in naher Zukunft stattfinden werden, ist unwahrscheinlich. Denn weder der Senat noch der Bezirk Tempelhof-Schöneberg oder das Jugendamt sehen sich zuständig jene zu finanzieren. Den Jugendlichen bleibt nichts weiter, als zu warten. Von den Parteien sieht sich die Potse im Stich gelassen: „Wir haben das Gefühl von den Linken für den Wahlkampf instrumentalisiert worden zu sein. Mittlerweile scheint sich niemand mehr für uns zu interessieren“, so Paul von der Potse.

Lediglich eine Zwischenlösung

Das Drugstore-Kollektiv saß drei Jahre auf der Straße und fand nur ab und an einen Unterschlupf im Tommy-Weisbecker-Haus in Kreuzberg. Dann jedoch fand der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, wenn auch nur übergangsweise, endlich einen neuen Raum für das Kollektiv. Im Mai dieses Jahres zog es in den Veranstaltungssaal des Rockhauses in Lichtenberg. Das Rockhaus – ein aus mehreren Proberäumen, einem Veranstaltungssaal und einem Kiosk für Musik bestehendem Gebäude – dient dabei lediglich als Zwischenlösung bis das Haus der Jugend bezugsfertig ist. Dies könnte jedoch einige Zeit dauern, da der Bau jenes Haus bis jetzt noch nicht begonnen hat. Auf Anfragen der taz wann und wo das Haus der Jugend gebaut werden soll, hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg bis zum Redaktionsschluss nicht genatwortet.

Bis dahin müssen sich die bereits bestehenden Mietparteien und das Drugstore-Kollektiv miteinander arrangieren, was mal mehr und mal weniger gut funktioniert. Auf die Frage wie zufrieden das Kollektiv mit dem neuen Raum sei, antwortete die Pressesprecherin Domi: „An manchen Tagen fühlt man sich wohl und von der Hausgemeinschaft akzeptiert. Dann gibt es Tage, an denen man sich unwohl fühlt, weil man merkt, dass unsere Nutzung des Raums nicht nach den Vorstellungen des Rockhaus-Mieterbeirats läuft.“

Zwar betont der Mieterbeirat auf seiner Internetseite, dass sie es „ausdrücklich begrüßen, dass für den Drugstore eine Übergangslösung gefunden werden konnte“, kritisieren jedoch ebenfalls „den Verlust des Herzstücks und Treffpunkts der Rockhaus-Gemeinschaft“.

Ein Kritikpunkt den Domi nicht versteht. „Die Mie­te­r*in­nen des Rockhaus können durchaus den Veranstaltungssaal nutzen, sie müssen lediglich zu unserem Plenum kommen und mit uns sprechen.“ Ein Angebot, das auch genutzt werde. So spielte bereits eine im Rockhaus probende Band auf einer Drugstore-Veranstaltung. Generell scheint der Großteil der Hausgemeinschaft den Einzug des Jugendclubs als durchaus positiv zu betrachten. So berichtet Domi, dass viele Bands auch gerne das ein oder andere Getränk zum Selbstkostenpreis im Drugstore kaufen, wenn der im gleichen Gebäude liegende Kiosk gerade geschlossen hat.

Umbauten lassen auf sich warten

Auch dem Drugstore wurden, vom Eigentümer des Rockhauses, Umbauten zugesichert. Ebenso wie bei der Potse geht es um den Einbau von Beeinträchtigten-Toiletten und eine extra Sicherung der Türen – durch den Einbau von Zwischentüren –, die zu den Proberäumen führen.„Diese Umbauten sollten eigentlich im Herbst stattfinden“, sagt Domi. „Wir hatten bereits mehrere Veranstaltungen, bei denen auch Menschen waren, die auf diese Art der Toiletten angewiesen sind. Sollen die den ganzen Abend nicht auf Toilette gehen oder vielleicht mit ihrem Rollstuhl zu den Toiletten in der zweiten Etage?“

Dreieinhalb Jahre nach Unterzeichnung des Mietvertrags ist es nun soweit, das die lang versprochenen Räume in der Potsdamer Straße 134 vom Drugstore womöglich bald bezogen werden können. Man gehe davon aus, „dass eine Übergabe an die Nutzer Ende Februar 2023 möglich ist“, so der Bezirk Tempelhof- Schöneberg auf eine Anfrage der taz.

Auf die Frage, ob der Mietvertrag, der im Jahr 2024 ausläuft verlängert wird antwortete der Bezirk: „Den Mietvertrag haben wir mit einseitiger Verlängerungsoptionen vereinbart, insoweit besteht hier keine Sorge, dass wir diese Räume nicht weiter nutzen können“, so der zuständige Bezirksstadtrat Oliver Schworck (SPD).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare