Ulrike Winkelmann Ernsthaft?: Wir brauchen eine Reichensteuer, um den Klimawandel zu bremsen
Der Finanzminister hatte diese Woche erst gar niemanden mehr nach München geschickt zur Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof. Weiß ja jeder, dass die FDP den Solidaritätszuschlag abschaffen will. Warum also ministeriale Personalressourcen damit vergeuden, Staatseinnahmen vor Gericht zu verteidigen.
Der Soli wird inzwischen nur noch von Besserverdienern bezahlt, und zwar auch auf Kapitalerträge. Er ist praktisch Olaf Scholz’Reichensteuer: Scholz hatte noch als Finanzminister in der großen Koalition die Idee, den Soli nur bei den höchsten Etagen zu belassen. Aber klar, diese Etagen haben sehr gute Anwälte (nicht nur bei der FDP), und die argumentieren, der Solidaritätszuschlag sei eben nie als Reichensteuer gedacht gewesen.
Bevor Sie fragen: Doch, die eigentliche Reichensteuer gibt’s auch noch – jenen besonderen Tarif für Allerbestverdiener. Aber der ist so besonders, dass sein Ertrag als eher symbolisch gilt. Der Solidaritätszuschlag dagegen brachte 2022 etwa 10 Milliarden Euro ein. Die FDP setzt darauf, dass die Gerichte ihr die Arbeit bei seiner Abschaffung abnehmen, ähnlich wie Mitte der 1990er bei der Vermögenssteuer, die sich nie wieder einführen ließ.
Ulrike Winkelmann ist Chefredakteurin der taz.
Ich möchte nicht defätistisch wirken, aber meine Hoffnung ist in den vergangenen Jahren geschrumpft, dass es irgendwann noch gelingen könnte, die finanzstärksten Bevölkerungsprozente auf einen größeren Beitrag zum Gemeinwesen zu verpflichten. Mit einer gewissen Abhärtung („die schlimmste Steuersenkung ist immerhin schon über 20 Jahre her“; „in den USA ist es noch schlimmer“) lässt sich das im Alltag, wie die meisten moralischen Fragen, wegblenden.
Allerdings werfen jüngere Zahlen zum CO2-Ausstoß der Bestgestellten nun doch die Frage auf, ob wir uns die ungebremste Anhäufung von Reichtum rein physisch, also ökologisch, noch leisten können. Einen Anstieg der Privatjetflüge in Deutschland um 9 Prozent binnen eines Jahres etwa haben die Investigativen von SZ und NDR errechnet. Wie jedes Jahr zum Wirtschaftsgipfel in Davos hat uns Oxfam wiederum erklärt, wie viel reicher die Reichen inzwischen geworden sind. Da der individuelle CO2-Ausstoß weitgehend linear mit dem Wohlstand wächst, lässt das nichts Gutes fürs Klima vermuten.
Das kann natürlich so nicht bleiben. Solange sich keine Regierung findet, die vom wachsenden Reichtum der Wenigen etwas in Richtung Schulen, Bahnen oder Klimaschutz abzweigen will, sollten wir andere Ansätze zur Verhaltenssteuerung nicht ausschließen. Vielleicht Marketing – das Geld will ja ausgegeben werden. Gibt es schon Agenturen für klimaschonenden Luxuskonsum, die neue Statussymbole entwickeln? Was ist zum Beispiel mit Sänften, getragen natürlich von übertariflich bezahlten Fachkräften? Statusdefinierend jedenfalls müsste der maximale Stundeneinsatz bestentlohnter Facharbeit bei geringstmöglichem Ressourcenverbrauch sein. Wobei: Das ist in Zeiten des Arbeitskräftemangels dann trotzdem wieder ein Problem für alle anderen.
Vielleicht ist ein privater Emissionshandel doch keine so schlechte Idee: Oberhalb eines bestimmten CO2-Ausstoß-Budgets müsste dann jeder Emissionsrechte dazukaufen. Das ist natürlich etwas aufwendig einzurichten – schon die Privatjets sind ja vom Emissionshandel im Flugverkehr ausgenommen: zu viel Verwaltungskram.
Wie viel leichter und unbürokratischer sind da doch klassische Luxus- und Reichtumssteuern, oder besser noch: Aufschläge auf die schon bestehenden Steuern! So praktisch und lebensnah. Man könnte sie „Klimaabgabe für Besserverdiener und Anleger“ nennen. Oder auch einfach: Soli.
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