Putin stellt Feuerpause in den Raum: Angebliche Gnade zum Weihnachtsfest
Kreml und Klerus geben sich großzügig und wollen die Waffen zum Weihnachtsfest etwas ruhen lassen. Die Ukraine reagiert zurückhaltend.
Russland strebt zum orthodoxen Weihnachtsfest eine Feuerpause in der Ukraine an. Präsident Wladimir Putin habe den Verteidigungsminister angewiesen, dass die russischen Truppen zwischen dem 6. Januar, 12 Uhr, und dem 7. Januar, 24 Uhr, das Feuer einstellen, teilte der Kreml am Donnerstag mit.
Das Copyright für diesen Vorschlag liegt jedoch beim Moskauer Patriarchen Kirill, den die Festtage offensichtlich, zumindest kurzzeitig, milde gestimmt haben. „Ich, Kirill, Patriarch von Moskau und der ganzen Rus, appelliere an alle Seiten, die an diesem internen Konflikt beteiligt sind, das Feuer einzustellen und eine weihnachtliche Waffenruhe herzustellen, damit orthodoxe Menschen Gottesdienste am Weihnachtsabend sowie am Tag von Christi Geburt besuchen können“, heißt es in der Erklärung des 76-Jährigen, die auf der Homepage der russisch-orthodoxen Kirche nachzulesen ist.
Kyjiw lehnte den Aufruf umgehend ab. „Das ist eine zynische Falle und ein Element der Propaganda“, twitterte Mychajlo Podoljak, Berater des Präsidentenbüros, am Donnerstag. Die russisch-orthodoxe Kirche genieße keine Autorität innerhalb der weltweiten Orthodoxie und trete als „Kriegspropagandist“ auf.
Dieser Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen. Denn bislang ist der Moskauer Oberhirte, ein Bruder im Geiste des russischen Präsidenten Putin, eher durch eine andere Rhetorik aufgefallen. So gab Kirill zu Protokoll, dass die Besatzer in der Ukraine Russland verteidigten und dabei „von einem inneren moralischen Gefühl getrieben“ würden, das auf dem orthodoxen Glaube“ beruhe.
In der Ukraine sind die Weihnachtsfreuden getrübt
Bei einer Ansprache in der Kirche vor Angehörigen der russischen Streitkräfte lobte der Patriarch, der auch gerne mal Soldaten seinen Segen gibt, junge Russen, die sich der Armee anschlössen und Ukrainer*innen töteten. Auch der Schutz der Schutz von Bewohner*innen des Donbass vor LGBTQ-Paraden musste schon als Rechtfertigung für Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine herhalten.
Als Reaktion auf diese Kriegstreiberei verhängte Großbritannien im vergangenen Juni Sanktionen gegen Kirill. Dem schlossen sich einen Monat später Kanada und Litauen an. Im November sei dem Patriarchen eigenen Angaben zufolge die Einreise in die EU verweigert worden, berichtete das russische Webportal kommersant.ru.
Auch für die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die bis zu ihrer Lossagung von Russland im vergangenen Mai noch den Zusatz Moskauer Patriarchat im Namen geführt hatte, dürften die Weihnachtsfreuden getrübt sein. Am Donnerstag gab der ukrainische Kulturminister Alexander Tkatschenko bekannt, dass die Refektoriumskirche und die Uspenski-Kathedrale der Nutzung durch die ukrainisch-orthodoxe Kirche entzogen und an den ukrainischen Staat zurückgegeben worden seien.
Beide Gotteshäuser gehören zu dem Kyjiwer Höhlenkloster Petscherska Lawra – landesweit die größte und wichtigste Anlage ihrer Art. 2016 waren sie der ukrainisch-orthodoxen Kirche zur Nutzung übergeben worden – ein entsprechender Pachtvertrag lief jedoch zum 31. Dezember 2022 aus. Kurz zuvor hatte sich der Metropolit der Uspenski-Kathedrale, Pawel Lebed, an den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski mit der Bitte gewandt, die Gotteshäuser weiter nutzen zu dürfen – vergeblich.
Stattdessen wird die orthodoxe Kirche der Ukraine, deren Eigenständigkeit der ökumenische Patriarch Bartholomäus I. 2019 offiziell anerkannt hatte, dort erstmals ihre Weihnachtsgottesdienste abhalten. Ebenjene Kirche war es auch, die in einer Art Premiere auch am 25. Dezember mit ihren Gläubigen das orthodoxe Weihnachtfest gefeiert hatten. Beobachter*innen sehen darin einen weiteren Schritt, um die Beziehungen zu Russland auch in religiöser Hinsicht zu kappen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite