Schwangerschaftsabbrüche in Spanien: Vox macht auf Orbán
Die rechtsextreme Vox will in Castilla y León das Recht auf Abtreibung einschränken. Schwangere sollen vor dem Abbruch den Embryo-Herzschlag hören.
Madrid taz | Spaniens Linksregierung ist empört. Die rechtsextreme Vox will die autonome Region Castilla y León, wo sie Juniorpartner der konservativen Partido Popular (PP) ist, zum Versuchslabor für ihre Antiabtreibungspolitik machen. Ab dieser Woche soll dort in Kliniken Schwangeren die Herztöne des Embryos sowie ein sogenannter 4-D-Ultraschall, also bewegte 3-D-Bilder, vorgeführt werden. Erst dann sollen sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden können. Außerdem sollen die Betroffenen vom Allgemeinarzt zum Dienst für mentale Gesundheit überstellt werden.
Das will der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez auf keinen Fall zulassen. Für ihn verstößt der Plan, der wohl im September in Ungarn von Viktor Orbán eingeführte Maßnahmen zum Vorbild hat, „gegen die geltenden Vorschriften zum freiwilligen Schwangerschaftsabbruch“. Madrid forderte die Regierung in Castilla y León auf, von den Plänen sofort Abstand zu nehmen.
Wenn nicht, droht die Regierung Sánchez mit dem Gang vors Gericht. „Die spanische Regierung wird alle Mechanismen nutzen (…), um die Freiheit der Frau und ihr Recht auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch gemäß den in den geltenden Vorschriften festgelegten Bedingungen zu verteidigen“, heißt es in einer Erklärung von Sonntagabend. Dies könnte in der Aberkennung der Regionalhoheit über die Gesundheitsversorgung für Castilla y León enden.
In Spanien ist laut Gesetz aus dem Jahr 2010 der freiwillige Schwangerschaftsabbruch während der ersten 14 Schwangerschaftswochen möglich.
Druck auf PP vor Superwahljahr
Die Regierung in Valladolid will – zumindest offiziell – nicht klein beigeben und besteht auf ihre Hoheit in der Gesundheitspolitik. Allerdings kommt es hinter den Kulissen zu ersten Unstimmigkeiten. Während der Vizeregierungschef Juan García Gallardo (Vox) auf die sofortige Umsetzung des Planes besteht, erklärte der Chef der Regionalregierung Alfonso Fernández Mañueco (PP) sowie das von seiner PP geführte regionale Gesundheitsministerium, dass die Umsetzung Kompetenz des jeweiligen Arztes sei: Wer will, kann, muss aber nicht, die neuen Methoden anwenden.
Spanien steht vor einem Superwahljahr 2023 mit Kommunalwahlen in ganz Spanien sowie Regionalwahlen in einem Dutzend Autonomien im Mai und Parlamentswahlen im Herbst oder Winter. Der Vorstoß von Vox bereitet der Führung der PP in Madrid Sorge. Parteichef Alberto Nuñez Feijóo versucht sich moderat zu geben, um Stimmen aus der politischen Mitte zu gewinnen, auch wenn klar ist, dass er ohne ein Bündnis mit Vox in Madrid keinerlei Chancen hat. „Wir werden nicht alles schlucken“, lässt Feijóo seinen Kampagnensprecher im Fernsehen schimpfen.
Das Thema Abtreibung wird in den kommenden Monaten auch das Verfassungsgericht beschäftigen. Dort ist seit mehr als zehn Jahren eine Klage gegen die gültige Fristenregelung der PP anhängig. Nachdem mit Verzögerung das Gericht erneuert wurde, gehört die Mehrheit der RichterInnen dem fortschrittlichen Lager an. Das lässt auf eine Bestätigung der Fristenregelung hoffen.
Leser*innenkommentare
Doktor No
Wie ich es verstehe, ist es nicht ins Gesetz gegossen sondern bisher reines mediales Theater. Interessant finde ich, dass der Chef der Konservativen Feijoo sich der Debatte komplett entzieht. Die Regierung handelt richtig und hat der regionale Regierung gebeten, die neue Richtlinie schriftlich zu überleiten.
Priest
Wer eine rechtsextreme Partei zum Juniorpartner hat, dürfte selbst nicht viel gemäßigter sein.
Aber selbst ein von PSOE und Podemos regiertes Spanien verdient wie Ungarn und Polen ein Plus an Kontrolle, will der Schein einer demokratisch vorbildlichen EU gewahrt werden, denn das Maulkorbgesetz der PP von 2015 wurde v.k. noch durch ein neues Delikt "verschärfte Straftaten gegen die öffentliche Ordnung" ergänzt.
Quellen:
blogs.publico.es/o...mentos-y-criticas/
www.eldiario.es/co...n_132_9807617.html
Da wird sowohl freie Meinungsäußerung als auch politischer Aktivismus zur Risikobeschäftigung.