Rechte Ausschreitungen in Brasilien: Trumps vielsagendes Schweigen
Brasiliens Staatschef Lula erfährt Solidarität aus aller Welt. Doch im Umfeld des früheren US-Präsidenten wird der rechte Mob von Brasília gefeiert.
Berlin taz | Die Welle der Reaktionen war überwältigend. Noch während die Demonstrant:innen am Sonntag die Regierungsgebäude in Brasília besetzt hielten, twitterten Regierungsvertreter:innen aus aller Welt Solidaritätsadressen an den brasilianischen Präsidenten Lula da Silva.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb von einem „feigen Angriff auf die Demokratie“. US-Präsident Joe Biden nannte die Attacke „ungeheuerlich“ und versprach den demokratischen Institutionen Brasiliens die „vollständige Unterstützung“. Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Auch die nahezu komplette Riege der lateinamerikanischen Staatschefs stellte sich demonstrativ an die Seite von Lula da Silva. Bei den ebenfalls linken Regierungen von Kolumbien, Chile oder Argentinien war das erwartbar. Aber auch Ecuadors konservativer wie neoliberaler Präsident Guillermo Lasso verurteilte auf Twitter den Vandalismus in Brasília und versicherte dem „rechtskräftigen“ Präsidenten Lula seine Unterstützung.
Auffälliger war da schon, wer sich nicht oder nicht so eindeutig äußerte. Italiens Regierungschefin Georgia Meloni, zugleich Vorsitzende der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia, bezeichnete zwar „die Bilder vom Einbruch in institutionelle Ämter“ als inakzeptabel und erklärte ihre Solidarität mit den brasilianischen Institutionen. Lula da Silva aber erwähnte sie mit keinem Wort.
Kein Wort von Trump
Noch schweigsamer war Donald Trump. Vom Ex-Präsidenten der USA, der wie jetzt Jair Bolsonaro in Brasilien seine Wahlniederlage nicht anerkannt und vor fast auf den Tag genau zwei Jahren zum Sturm aufs Kapitol in Washington aufgerufen hatte, war bislang gar nichts zu hören.
Trump ist nicht nur offensichtliches Vorbild des Brasilianers, er ist auch sein Unterstützer. Kurz vor der Stichwahl zwischen Lula und Bolsonaro am 30. Oktober hatte sich Trump per Video mit einem Wahlaufruf an die Brasilianer:innen gewendet. Darin bezeichnete er Bolsonaro als große und allseits respektierte Persönlichkeit, die einen fantastischen Job mache und unbedingt wiedergewählt werden müsse.
Auf Facebook verbreitet wurde das Video unter anderem von Eduardo Bolsonaro. Der Sohn von Jair Bolsonaro war einst als Brasiliens Botschafter in den USA im Gespräch, aktuell gilt er als häufig gesehener Gast in der Trump-Residenz Mar-a-Lago im US-Bundesstaat Florida.
Eduardo Bolsonaro traf sich laut Washington Post vor Kurzem auch mit dem einstigen extrem rechten Trump-Berater Steve Bannon, der am Sonntag prompt die Demonstrant:innen in Brasília als Freiheitskämpfer lobte. Denn, so sein Argument, die Wahl in Brasilien sei gestohlen worden – genau so hat Trump nach seiner Niederlage gegen Joe Biden geredet. Wegen solcher Ähnlichkeiten hatten Expert:innen bereits nach Bolsonaros Wahlniederlage befürchtet, dass der Sturm aufs Kapitol in Washington vor zwei Jahren eine Blaupause für die weiteren Entwicklungen in Brasilien sein könne.
Bolsonaro in Florida – zum Missfallen der US-Demokraten
Jair Bolsonaro hat mittlerweile auch die räumliche Nähe zu Trumps Umfeld gesucht. Zwei Tage vor Ende seiner Amtszeit flog er Ende Dezember nach Florida. Das sorgt vor Ort für Missfallen – vor allem von linken Demokrat:innen wird seine Ausweisung gefordert. „Die USA müssen aufhören, Bolsonaro in Florida Zuflucht zu gewähren“, schrieb etwa die demokratische US-Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez auf Twitter.
Mitteilsam schweigen kann übrigens nicht nur Donald Trump. Auch die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch äußerte sich zwar am Montag auf Twitter, aber nicht zur Lage in Brasilien. Dabei pflegt sie sonst enge Kontakte zur brasilianischen Rechten und unterstützt die Behauptung des Wahlbetrugs.
Leser*innenkommentare
Klaus Waldhans
Was soll die Aussage von 'vielsagendes Schweigen' von Trump? Hätte irgendjemand etwas anderes erwartet? Wenn, dann eher doch in die Richtung, dass es berechtigte Demonstrationen gegen eine verschobene Wahl waren.
Gut, dass die überwiegende Mehrheit der anderen Staaten diesen Aufstand verurteilt. Das gibt etwas Hoffnung in düsteren Zeiten.