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Genderregeln bei der FifaWer darf mitspielen?

Wegen zu hoher Testosteronwerte muss Sambias Fußballerin Barbra Banda um die WM-Teilnahme bangen. Die Fifa will nun die eigenen Regeln prüfen.

Stark am Ball und vor dem Tor: Barba Banda hat für Sambia 28 Tore in 37 Spielen erzielt Foto: imago

Als die Frauen-Nationalmannschaft Sambias im vergangenen Sommer beim Afrika-Cup in Marokko ins Halbfinale stürmte, war das an sich schon einmal eine riesige Überraschung. Die Ostafrikanerinnen waren noch nie so weit gekommen. Was die Sache aber noch bemerkenswerter machte: Sie schafften das ohne ihre beste Spielerin. Barbra Banda durfte nicht mitspielen.

Banda wurde 2020 weltweit bekannt, als ihr beim Olympischen Fußballturnier in zwei Gruppenspielen jeweils ein Hattrick gelang. Nun aber saß die Team-Kapitänin auf der Tribüne und musste zuschauen. Der 22-Jährigen war kurz vor Turnierbeginn die Teilnahmeberechtigung entzogen worden – sie habe ein „Geschlechtsüberprüfungsverfahren“ nicht bestanden, erklärte der afrikanische Fußballverband Caf.

Seit diesem Geschehen gibt es im internationalen Spitzensport den „Fall Banda“ – der durchaus vergleichbar ist mit dem „Fall Caster Semenya“. Wie die südafrikanische Leichtathletin Semenya, die vor Jahren von internationalen Leichtathletik-Wettkämpfen ausgeschlossen wurde, hat auch Barbra Banda einen sehr hohen Testosteronwert. Und der afrikanische Fußballverband hat für seine Wettbewerbe einen Grenz­wert ein­ge­rich­tet, bei dessen Überschreiten Athletinnen ausgeschlossen werden können. Testosteron ist ein muskelaufbauendes Hormon, von dem Männer in der Regel viel mehr haben als Frauen. Sie sind muskulöser gebaut und in der Regel leistungsfähiger.

Der Aufschrei in Sambias Fußballszene war nach dem Ausschluss groß. „Mit ihr hätten wir den Afrika-Cup wahrscheinlich gewonnen“, klagte Nationaltrainer Bruce Mwape – sein Team wurde am Ende Dritter. Presse und Fans in Sambia sahen ihr weibliches Fußball­idol ungerecht behandelt. Sie fragten: „Bei den Frauen darf sie nicht spielen, bei den Männern auch nicht. Wo soll sie denn jetzt spielen?“ Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sah es ähnlich und prangerte den Ausschluss der Fußballerin grundsätzlich an: Geschlechterüberprüfungen seien eine Menschenrechtsverletzung und diskriminierend, so die nichtstaatliche Organisation.

Unterschiedlichste Bestimmungen

Wie schwer sich der Spitzensport mit dieser Thematik tut und wie unterschiedlich Regeln angewendet werden, zeigte sich wenige Wochen nach dem Afrika-Cup. Da fand in Südafrika der „Cosafa-Cup“ statt – ein Turnier, bei dem nur die Länder aus dem südlichen Teil des Kontinents ihren Champion ausspielen. Sambia gewann den Cup am Ende. Mit Barbra Banda.

Anders als bei der CAF gab es beim regionalen Fußballverband Cosafa keine Geschlechterüberprüfung. Für Banda und ihre Teamkolleginnen konnte es kaum besser laufen. Ohne Punktverlust und ohne Gegentore hatten die Sambierinnen schon die Vorrunde gemeistert, das Halbfinale war dann auch kein Problem und im Finale wurde Gastgeber Südafrika mit 1:0 besiegt – Torschützin: Barbra Banda, die auch zur besten Spielerin der Veranstaltung gewählt wurde. Ihr gelangen in fünf Spielen satte zehn Tore.

Nun ist die Fußballwelt gespannt darauf, was Sambia bei der Weltmeisterschaft 2023 leisten kann. Die wird im kommenden Sommer in Australien und Neuseeland ausgetragen. Barbra Banda und ihre Kolleginnen sind neben Marokko, Nigeria und Südafrika eines von vier bereits qualifizierten afrikanischen Teams. Kamerun und Senegal könnten bei einem Ausscheidungsturnier im Frühjahr noch nachrücken.

Aber wird das Weltturnier auch Barbra Banda sehen? „Ja“, sagte vor wenigen Tagen Sarai Bareman, seit 2016 „Chief Women’s Football Officer“ beim Fußball-Weltverband Fifa. „Wir freuen uns – Stand jetzt – Barbra Banda und ihre Teamkolleginnen in Australien und Neuseeland begrüßen zu dürfen“, so die Funktionärin aus Samoa. Aber Bareman musste einräumen, dass die Fußballszene immer noch relativ „blank“ dasteht, was einheitliche Genderbestimmungen betrifft. „Wir befinden uns gerade in einem Konsultationsprozess und überprüfen unsere Genderbestimmungen“, so Bareman gegenüber der britischen BBC. „Es ist ein sehr komplexes Thema mit vielen unterschiedlichen Meinungen. Wir streben an, in den kommenden Monaten ein entsprechendes Regelwerk präsentieren zu können“, so die Fifa-Mitarbeiterin.

Im Hintergrund scheinen die Dinge auf Hochtouren zu laufen, denn dem Weltverband ist völlig klar, dass ihm das Thema spätestens kurz vor dem WM-Start um die Ohren fliegen könnte. Bareman bittet daher – quasi prophylaktisch – schon einmal um Nachsicht. „Als Fifa ist es unsere Aufgabe, alle Ansichten zu berücksichtigen, denn wir müssen jede Sichtweise verstehen. Es gibt die Forschung, Beweise, individuelle Situation, die Menschenrechtsseite der Dinge – wir müssen all das berücksichtigen, bevor wir eine endgültige Entscheidung treffen können.“ Bareman findet: „Es ist eine große Entscheidung und sie wird für viele Menschen große Auswirkungen haben.“

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2 Kommentare

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  • Schon interessant, dass nie jemand auf die Idee gekommen ist, Michael Phelps wegen seiner absurd langen Arme von Schwimmwettbewerben auszuschließen oder Usain Bolt nicht an den Start gehen zu lassen, weil seine Knochen die perfekte Hebellänge für Sprints haben.

    Aber wenn es um angeborene Wettbewerbsvorteile geht, die in Frage stellen, ob eine Frau nach den rigiden Vorstellungen von Sportfunktionären auch Frau genug ist, dann ist das Geschrei plötzlich groß. "Erhöhte" Testosteronwerte sind bei Schwarzen Frauen nicht so selten, die Grenzwerte im Sport wurden eben auf Grundlage weißer Athletinnen ermittelt, die im Mittel niedrigere Testosteronspiegel haben. Das bedeutet, dass diese Grenzwerte bei Schwarzen Athletinnen sehr viel öfter überschritten werden, ohne dass sie irgendein Fehlverhalten begangen hätten. Bei trans Athletinnen wird es noch absurder, da greifen manche Verbände wie die FINA inzwischen selbst bei schon in der Jugend vollständig transitionierten Frauen, die völlig durchschnittliche Testosteronwerte haben und nie zusätzliche Muskelmasse aufgebaut haben zu lebenslangen Sperren und erlauben nur eine Teilnahme mit im Alter von 12 Jahren völlig abgeschlossener Transition - was weder medizinisch noch rechtlich überhaupt machbar ist. Während cis Frauen, die ihre ganze Jugend mit Testosteron gedopt haben, also de facto eine männliche Pubertät mit den entsprechenden Gewinnen an Muskelmasse durchlaufen haben, nach einer kurzen Sperre einfach wieder starten dürfen.

    Da kann mir niemand erzählen, dass es nur um sportliche Fairness geht. Die Doppelstandards sind zu offensichtlich. Hier werden Vorurteile in Regeln gegossen, nichts anderes.

  • Wenn den Cissen die eigenen Diskriminierungen auf die Füsse fallen.. Naja FIFA. Ist ja eh ne alte, korrupte Männer Mafia.