Günstige Mieten in Hamburg: Dem Immobilienmarkt entzogen
Ein Kollektiv will Wohnraum kaufen und ohne Profitinteresse weitervermieten. Ein erstes Haus in Wilhelmsburg hat die Gruppe nun übernommen.
Ein kürzlich gegründetes Kollektiv hat es gekauft. Damit sollen die sieben Mietwohnungen und ein Geschäftsraum in Zukunft, ähnlich wie bei dem bundesweit agierenden Mietshäusersyndikat, nicht mehr als Ware gehandelt werden können. „Ich bin total glücklich darüber“, sagt Jaffke.
Der vorherige Eigentümer wollte das Haus am Vogelhüttendeich gern verkaufen. Ihm sei es nicht zwingend um einen möglichst hohen Verkaufsertrag gegangen und durch ein Gespräch mit einer der Mieter:innen kam der Kontakt mit der Gruppe von der Likedeelerei zustande. „Das war ein guter Zufall“, sagt Simon Stülcken.
Er ist Teil des sechsköpfigen Kollektivs, dass die Likedeelerei voriges Jahr als Verein gegründet hat. Der Name ist an die Freibeuter um Klaus Störtebeker angelehnt: Als „Gleichteiler“, so die Übersetzung aus dem Niederdeutschen, setzten sie sich stark vom streng hierarchisch-feudalen System des Mittelalters ab. Die Beute teilten sie gerecht untereinander auf, die gesamte Besatzung hatte Mitspracherechte. „Wir wollen auch gerechtere Strukturen schaffen – nur eben auf dem Wohnungsmarkt“, sagt Stülcken.
Ähnlich wie das Mietshäusersyndikat
Der Verein wiederum ist Gründer einer GmbH, die nun Eigentümer der Immobilie ist. Anders als das Mietshäusersyndikat ist die Likedeelerei keine Beteiligungsgesellschaft, die am Besitz des Hauses beteiligt wird, um es dauerhaft vor dem Weiterverkauf zu schützen – sie will Immobilien komplett kaufen, ohne dass die Bewohner:innen den Kaufpreis aufbringen müssen. „Damit wollen wir günstigen Wohnraum für Menschen, die strukturell benachteiligt werden, schaffen und erhalten“, sagt Stülcken.
180 Hausprojekte sind mittlerweile bundesweit im Mietshäusersyndikat verbunden. Das Syndikat hilft als nicht kommerzielle Beteiligungsgesellschaft, Häuser in Kollektiveigentum zu überführen.
1992 entstand das Syndikat in Freiburg, ab 2001 beteiligte es sich auch bei Hauskäufen außerhalb Freiburgs.
Die gekauften Häuser werden nicht Eigentum des Syndikats, sondern einer eigenen GmbH, in der der jeweilige Hausverein und das Mietshäusersyndikat Gesellschafterinnen sind. Über den Verein verwalten die Nutzer ihr Objekt eigenverantwortlich. Ein Verkauf ist durch das Veto-Recht des Syndikats praktisch ausgeschlossen.
Doch es musste dann alles ganz schnell gehen: „Es gab auch das Kaufinteresse von größeren Unternehmen, die das Haus wohl luxussaniert hätten“, sagt Stülcken – bis zu 14 Euro pro Quadratmeter wären am Ende bei der Miete wohl herausgesprungen. Das hätte sich kaum eine:r der bisherigen Mieter:innen leisten können, sagt Stülcken.
Die Mieter:innen spiegelten den durchmischten Stadtteil Wilhelmsburg gut wider – migrantisch und mittlerweile auch alternativ-studentisch geprägt, zählt er zu den ärmeren der Hansestadt.
Doch der Likedeelerei gelang es, den profitorientierten Immobilienunternehmen zuvorzukommen: Binnen weniger Wochen sammelte sie rund 600.000 Euro an Direktkrediten von Privatpersonen aus dem Bekanntenkreis des Syndikats und der Mieter:innen ein. „Dass sie keine hohen Zinsen erwarten können, wissen sie – sie machen es aus Überzeugung“, sagt Stülcken.
Investoren zuvorgekommen
Durch die hohe Summe aus der „Social Crowd“ musste die Likedeelerei nur noch 40 Prozent des Kaufpreises durch einen Bankkredit mit seinen gestiegenen Zinsen auftreiben. Als beides in kurzer Zeit gelang, konnte die Likedeelerei vorige Woche den Kaufvertrag unterschreiben.
Weiteres Geld müssen die neuen Eigentümer in der Zukunft dennoch auftreiben: Das 1886 erbaute Haus muss an mehreren Stellen vom Dach bis zu den Abwassersielen saniert werden. Sollten weitere Privatpersonen Direktkredite geben, würde das die Finanzierung erleichtern.
Ganz ohne eine Erhöhung der bisher mit knapp sechs Euro pro Quadratmeter niedrigen Miete wird die Instandhaltung jedoch nicht gelingen: „Unser Ziel ist, dass wir im Durchschnitt die 8,50 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten“, sagt Stülcken. Damit würde die Miete weiter deutlich unter dem Mietenspiegel liegen. Und es sollen auch individuelle Lösungen mit den Mieter:innen gefunden werden – je nachdem, was für sie finanziell zu tragen ist.
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