Hinterbliebenen-Vertreter über Sklaverei: „Entschuldigungen sind keine Privatangelegenheit“
Die Niederlande wollen sich für die Verbrechen der Kolonialzeit entschuldigen. Der Vertreter der Hinterbliebenen in Surinam kritisiert den Zeitpunkt.
taz: Meneer Groenberg, Ihre Stiftung Eer en Herstel wollte die offizielle Entschuldigung der Niederlande für die Versklavung von Menschen in der Kolonialzeit im letzten Moment verhindern. Warum denn das?
Roy Kaikusi Groenberg: Wir sind nicht prinzipiell gegen Entschuldigungen, sondern dagegen, wie diese Sache abläuft. Wenn man sich entschuldigt für etwas so Wichtiges, sollte man das auch auf die richtige Art tun. Ich erinnere mich, als 1995 der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl in die Niederlande kam, um sich für das, was im Zweiten Weltkrieg geschehen war, zu entschuldigen. Das hat die Niederländer nicht direkt überzeugt, aber es hinterließ ein Gefühl von: Dies ist ernst gemeint. Entschuldigungen sind etwas, das Frieden und Ruhe bringt, sodass ein neuer Tag anbrechen und wir zusammen weitermachen können.
ist Vorsitzender der Stiftung Eer en Herstel (Ehre und Rehabilitation), die 1997 gegründet wurde und sich als Interessenvertretung von Nachfahren der in Surinam versklavten Menschen versteht.
Und das sehen Sie in diesem aktuellen Fall nicht?
In diesem Fall sind sie unvorbereitet und ohne Rücksprache. Manche mögen es merkwürdig finden, dass man diesen Schritt in Rücksprache unternimmt. Aber Kohl tat dies auch nicht auf irgendeinem Platz in Deutschland, sondern kam dafür in die Niederlande. Als Nachfahren sagen wir: Es ist eine so bedeutende Sache, auch spirituell wichtig für uns, dass es besser ist, wenn ihr das gemeinsam mit uns angeht. Und dann ist es auch zu 100 Prozent sicher, dass eine Entschuldigung angenommen wird.
Es geht in diesem Fall auch um das Datum.
Das liegt daran, dass am 1. Juli 1863 die Sklaverei abgeschafft wurde. Am selben Tag bekamen die Menschen zu hören, dass sie noch weitere zehn Jahre gezwungen würden, auf den Plantagen zu arbeiten. Erst am 1. Juli 1873 wurden sie frei. Schon seit 160 Jahren wird am 1. Juli der Abschaffung der Sklaverei gedacht. Die Abschaffung geschah unter Regie von König Willem III. Warum soll die Entschuldigung dann nun nicht am 1. Juli vom König ausgesprochen werden? Jetzt sind wir nicht vorbereitet. Am 19. Dezember fragen sich die Leute in Surinam, was sie zu Weihnachten essen werden.
Wie ist es Ihrer Meinung nach in den Niederlanden um das Wissen über die Sklaverei bestellt?
Sehr schlecht. Darum sagte der Premier ja, man wolle einen Betrag von 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um die niederländische Gesellschaft besser zu informieren. Das ist sehr wichtig, denn viele denken jetzt, wir hätten etwas gegen das niederländische Volk, gegen die Gesellschaft. Das ist nicht wahr. Es geht um die Rechtsnachfolge in Bezug auf diejenigen Menschen, die damals in Surinam die Sklaverei betrieben haben: die Westindien-Kompanie, die königliche Familie, die niederländische Regierung, die Banken. Es geht nicht um die gewöhnlichen Leute – die wissen oft nicht einmal, was damals los war. Und bei denen entsteht nun der Eindruck, dass die Nachkommen der Versklavten sich in ihrer Opferrolle inszenieren und am Ende auch noch Geld haben wollen. Ganz so, als ginge es um ein Komplott, um den niederländischen Staat zu betrügen. Das tut weh.
Aber es gab doch die letzten Jahre eine Art Bewusstseinswandel?
Verglichen mit der Situation vor 25, 30 Jahren ist einiges geschehen: Man hat Monumente errichtet, mehr Menschen beschäftigen sich mit dem Thema Sklaverei, viele Menschen sind sich dessen bewusster geworden. Es gibt auch mehr Solidarität von weißen Niederländern. Aber gerade in diesem wichtigen Moment, in dem man den nächsten Schritt setzt in Richtung Reparationen und Wiedergutmachung, wird beinahe alles, was man erreicht hat, was man vorbereitet hat, einfach weggeworfen. Nur, weil eine Regierung diesen Schritt so setzen will, wie sie darüber denkt. Das geht nicht! Entschuldigungen sind keine Privatangelegenheit, sondern eine Staatsangelegenheit, bei der man gemeinsam mit den Nachkommen der Opfer vorgeht.
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