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Gewalt gegen LGBTIQ*-CommunityTransfeindlichkeit bleibt hoch

Seit 2020 gibt es ein berlinweites Monitoring zu queerfeindlicher Gewalt. Im zweiten Bericht lag der Fokus auf Transfeindlichkeit.

In Berlin gibt es ein Monitoring zu queerfeindlicher Gewalt, hier eine Demo am Brandenburger Tor Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Die Queerfeindlichkeit in Berlin hat laut dem am Montagmittag vorgestellten Monitoring zu „homo- und transphober Gewalt“ zugenommen. Der aktuelle Befund stellt mit 456 queerfeindlichen Fällen im Jahr 2021 den „höchsten Wert seit Aufnahme der themenspezifischen Erfassung“ dar.

2020 waren es noch 377 gemeldete Fälle. Unklar ist, ob es zu einem tatsächlichen Anstieg gekommen ist oder zu einer erhöhten Meldebereitschaft, da die Behörden von einem Dunkelfeld von etwa 90 Prozent ausgehen. Auch seien die Modalitäten der Erfassung in den letzten Jahren genauer geworden.

Berlin ist bundesweit das einzige Bundesland, das ein Monitoring zu queerfeindlicher Gewalt erstellt. „Mit dem Monitoringbericht wollen wir zu einem öffentlichen Bewusstsein beitragen und Betroffene weiter motivieren, Vorfälle zu melden und zur Anzeige zu bringen“, so Lena Kreck, Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung (Die Linke).

Der erste Bericht 2020 befasste sich hauptsächlich mit lesbenfeindlicher Gewalt, in diesem Jahr wurde der Fokus auf transfeindliche Gewalt gelegt. Diese sei vor allem im digitalen Bereich im Jahr 2020 sprunghaft angestiegen und seither auf einem „hohen Niveau verharrt“. 61,7 Prozent der für das Monitoring Befragten gaben an, in sozialen Medien mehr oder minder häufig von Übergriffen betroffen gewesen zu sein.

90 Prozent der Tatverdächtigen sind männlich

Die meisten gemeldeten Fälle von queerfeindlicher Gewalt betreffen Beleidigungen (48,5 Prozent), Körperverletzungen (13,2 Prozent) und gefährliche Körperverletzung (9,6 Prozent) – dabei würden Körperverletzungen oft von Beleidigungen begleitet. Gerade transfeindliche Gewalt setze aber schon früher an, wie Sarah Riese, eine der Monitoring-Autor:innen, sagt: „In den Interviews mit Betroffenen wird deutlich, dass Transfeindlichkeit über verbale und körperliche Gewalt hinausgeht – wenn immer wieder infrage gestellt wird, wer man ist.“ Dazu gehöre das Deadnaming oder die Verwendung falscher Pronomen. Besonders schmerzhaft sei das für trans Personen in Behörden. „Dort, wo sie eigentlich geschützt werden sollten“, so Riese.

Trans Menschen werden zudem nicht nur Opfer von Transfeindlichkeit, sondern auch Opfer von homofeindlicher Gewalt, da sie als schwul oder lesbisch gelesen werden. 90 Prozent der Tatverdächtigen sind männlich.

Besonders auffällig bei transfeindlicher Gewalt im Speziellen sei, dass diese für Betroffene zum Alltag gehöre und damit häufig besprochen wird in der Community. Öfter noch als zur Polizei oder Beratungsstellen zu gehen, suchen trans Personen Support in einem Freund:innen-Netzwerk.

„Dieses übernimmt Care-Arbeit, die eigentlich von der zivilgesellschaftlichen Beratungsinfrasturktur übernommen werden sollte“, so Albrecht Lüter, einer der Au­to­r:in­nen des Monitorings. Lüter stellt auch klar: „Strafverfolgung ist das eine. Primärprävention ist natürlich der Königsweg, wenn es um Verhinderung von Gewalt geht.“ Sensibilisierungskampagnen müssten deshalb schon in Schulen beginnen.

Transparenzhinweis: Eine Studienautorin des Monitorings ist Sarah Riese, Verwandte der taz-Redakteurin Dinah Riese

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2 Kommentare

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  • Mich überrascht das leider ganz und gar nicht. Wenn selbst innerhalb 'feministischer' (TERF) Kreise gegen Transpersonen Stimmung gemacht und biologistische Argumente wieder stark gemacht werden, dann braucht man sich nicht wundern, wenn in der übrigen Gesellschaft noch mehr Missachtung und Gewalt zirkuliert.

    • @White_Chocobo:

      Leider wahr, aber ich finde es gefährlich, wenn wir die Debatte auf einzelne Täter:innengruppen verengen - ob wir jetzt von TER"F"s reden oder von den im Artikel genannten "90% männlichen Tätern."

      So oder so reden wir in jeder Gruppe von einer verschwindenden Minderheit transphober Fanatiker:innen, die leider ihre zahlenmäßige Unterlegenheit mit einer Extraportion Hass auszugleichen versuchen.

      Praktisch alle Feministinnen sind heute ausgesprochen trans-inklusiv, ich werte sie allgemein als unsere besten Allies. Sehen Sie sich an, was auf dem Dyke March in Bremen passiert ist, die TER"F"-Trolle waren ein winziges Häufchen von vielleicht einem Dutzend Leuten. Der Rest der lesbischen Community hat sich dagegen solidarisch gezeigt. Und so erlebe ich das im Alltag auch immer.

      Wir dürfen unser Bild von anderen Menschen nicht von einer Hand voll von Hass zerfressener Schreihälse abhängig machen. Das gilt sowohl, wenn solche Diskurse drohen, Keile in queere und / oder feministische Communities zu treiben als auch, wenn Queerfeindlichkeit komplett auf rassifizierte Personen projiziert wird (übrigens oft genau von denen, die am Geldhahn für transfeindliche Kampagnen sitzen).

      Die "verschwindend kleine Minderheit" sind in Wahrheit nicht wir, sondern die Leute, die uns auslöschen wollen. Das gilt auch für strukturelle Transfeindlichkeit, die meist von einzelnen Blockierern ausgeht, bspw. scheitert die überfällige Reform der Behandlungsrichtlinien einzig an einem einzigen "kontroversen" Psycho"therapeuten", der nicht von seinen überholten, diskriminierenden Standards aus den 1970ern lassen will.

      Es wird Zeit, dass wir diesen versprengten Hetzern die Rote Karte zeigen.