Alternative zum WM-Gucken: Schach und ich

Für diejenigen, die die WM boykottieren, probiert die taz-Alternativen aus. Heute versucht sich unsere Autorin im königlichen Spiel.

Schachfiguren auf einem Haufen auf einem Schachbrett

Schach muss nicht immer Scheitern bedeuten Foto: imago

Ich gucke heutzutage praktisch keine Serien mehr, weil, weiß auch nicht. Vielleicht weil ich in der wenigen Zeit, wo mal nix ist, lieber in die Luft gucke oder anderweitig der Muße fröne. Deshalb ging auch 2020 der weltweite Erfolg der schachlastigen Netflix-Miniserie „Das Damengambit“ komplett an mir vorbei.

So komplett vorbei, dass ich kräftig nachdenken muss, als mich Detlef Kuhl­brodt, kurz K., fragt, ob ich mich wegen „Damengambit“ heute mit ihm treffe. „Nö“, sage ich schließlich, „irgendwie schon mal gehört davon, aber, nö.“ Ich wolle einfach so Schachspielen von ihm lernen.

Des Weiteren muss man wissen, dass ich K. schon lange tief drinnen bewundere, wie er an vielen Werktagen in der Kantine unserer kleinen Zeitung ein Schachbrett ausbreitet und dort manchmal gegen sich selbst, manchmal gegen andere spielt, versunken und stundenlang.



Wir sitzen also genau dort, draußen ist es bereits um kurz nach 15 Uhr praktisch dunkel, in meinem Hirn sowieso, weil, ich bin nervös. Dass der legendäre taz- und Suhrkamp-Autor K. überhaupt einwilligt, mir eine Lektion im Schach zu erteilen, verunsichert mich. Hatte ich ihm doch zuvor mehrfach versichert, dass ich schlicht keinen blassen Schimmer hätte von dieser „Königsdisziplin“.

Ludische Demenz

Jenes Attribut klebt am Schach wie nix Gutes, dabei soll es wirklich ein faszinierendes Spiel sein. Wenn man die Regeln memorieren kann, und da, ich gestehe es, da hapert es bei mir.

Nicht nur beim Schach, auch bei anderen Spielen, ob dödelige Glücks- oder smarte Logikgedächtnisantizipationsstrategietaktikspiele (siehe Schach): Mein Hirn schaltet dann nicht selten auf ludische Demenz, auf Kraut und Rüben, es ist ein Elend.

Sobald ein Spiel mehr als vier, fünf Regeln hat, bin ich blank, bin ich geliefert, ziehen reihenweise Kombattanten siegreich an mir vorbei. Und noch schlimmer, denn ich bin, wage ich zu behaupten, eine gute Verliererin: Die anderen sind natürlich pfeilgerade genervt von mir lernresistenten Spielverderberin. 


K. verneint an unserem Tisch leise, genervt von mir zu sein, ich bin gerührt. Das Regelwerk setzt mich trotzdem weiter schachmatt. Rochade? Remis? „Äh, ja, was mache ich jetzt mit dem Turm noch mal?“ – „Nein, der Springer zieht nicht diagonal. Überleg mal, was macht der Springer?“ K. hat unendlich Geduld mit mir. Auf Französisch heißt Schach „jeu d’échecs“ – „échec“ meint nicht nur die Situation „Schach“, sondern auch das Scheitern. Fühle mich in die Richtung. K. kramt aus seiner Tasche ein Schachspiel, „schenk ich dir, hab ja schon eins“.
 Ich werde es immer in Ehren halten.

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Seit 2013 bei der taz-Wahrheit, zeitweise auch Themenchefin in der Regie und Redaktionsrätin. Außerdem Autorin mit Schwerpunkt Frankreich-Themen

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