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Zuwanderung und SpracherwerbRespekt vor dem Unperfekten!

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Wer nicht perfekt Deutsch spricht, begegnet häufig Spott. Viel entscheidener als korrekte Grammatik ist, sich überhaupt verständlich machen zu können.

Deutschkurs in Bayern für Geflüchtete aus der Ukraine, September 2022 Foto: Peter Kneffel/dpa

D as Niveau vieler Deutscher im Verständnis von Aus­län­de­r:in­nen, die die hiesige Sprache lernen, zeigt sich in den Chinesenwitzen: „Kommt ein Chinese in die Bäckerei und sagt: Ich möchte gelne ein Blödchen. – Die Verkäuferin: Kollegin kommt gleich.“ Harharhar. Beim Thema Spracherwerb werden wir dazulernen müssen, sonst wird das nichts mit der Erwerbsmigration, die wir so dringend brauchen.

In einer neuen Bertelsmann-Studie geben die Firmen Probleme an, die auftreten, wenn sie ausländische Fachkräfte rekrutieren. „Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten“ stehen ganz oben auf der Liste. Das Deutsche mit der komplizierten Grammatik und Aussprache, mit den Umlauten und Doppelkonsonanten ist in der Tat schwer zu erlernen, und das kann abschrecken.

Ausländer:innen, die hier leben und arbeiten, berichten aber auch, wie schnell sie von Deutschen von oben herab behandelt werden, wenn sie Artikel, Fälle und Zeiten nicht richtig setzen. „Gutes Deutsch“ ist immer noch ein soziales Distinktionsmerkmal. Dieser Sprachklassismus gehört in die Mottenkiste. Viel wichtiger als die korrekten Artikel ist die Funktion der Sprache: Man muss verstanden werden.

In London zum Beispiel hört man diverse Englischvarianten je nach Migrationsgeschichte. Das gehört wie selbstverständlich zu den kulturellen Besonderheiten. Die Studie empfiehlt zu Recht, dass der Spracherwerb für Er­werbs­mi­gran­t:in­nen im Herkunftsland beginnen sollte. Das Internet bietet alle Möglichkeiten, die Sprache einigermaßen interaktiv und lebensnah zu lernen. Dazu braucht es mehr kostenfreie Angebote, wie sie die Bundesregierung mit dem neuen Einwanderungsgesetz plant.

In den Firmen hierzulande wiederum müssten „Sprachlotsen“ bestimmt werden, die den vor Kurzem zugewanderten Kol­le­g:in­nen zur Seite stehen und bei Bedarf auch deren geschäftliche Mails gegenlesen. Wir brauchen ein globales Verständnis und mehr Respekt vor dem arabisch, asiatisch oder romanisch eingefärbten Deutsch mit den entsprechenden Besonderheiten. So viel Kosmopolitismus muss sein.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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5 Kommentare

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  • Dass es Sprachspießer gibt, die sich über die Fehler der anderen lustig machen um sich den eigenen nicht zu stellen, ist in der Tat bedauerlich und doch: nebensächlich. Zum einen, weil diese Menschen immer etwas finden, um sich über andere zu erheben.



    Zum anderen benötigt man zur Verbesserung der Verständlichkeit tatsächlich eine bessere Grammatik. Denn Grammatik ist eben mehr als Wortartenlehre und KNG-Kongruenz aus dem Lateinunterricht. Sie gibt dem Denken Strukur und Tiefe, sie ermöglicht die Darstellung von komplexen Sachverhalten und Feinheiten.



    Und da Denken und Grammatik so eng verwoben sind, sollten wir lieber demütig auf unsere sprachlichen Imperfektionen achten statt vorauszusetzen, dass nur die anderen lernen könnten. So wie in diesem Artikel.

  • Oh... So kann's wohl auch gehen. Bei uns war das immer so, dass alle die deutsch lernen viel Respekt bekommen haben, denn Zitat: "Wenn ich nicht deutsch wäre, dann würde ich es auch nicht lernen wollen".

  • Mein liebster "Sprachtoleranz"-Satz, entgegengeschleudert von Verkäufer in einem Fotogeschäft in unserem ersten Jahr in Deutschland (keine angespannte Situation vorher, nur ein aufzulösendes Missverständnis):

    "Ich muss Dich (!) nicht verstehen, Du (!) musst mich verstehen. Ich von hier, Du (!) von da".

    Das ist lange, lange her und war natürlich auch schon damals ein Extremfall, geschätzte 99% seiner Mitbürger sind netter ;-) Mit Akzent und gelegentlicher Wortfindungsschwierigkeit regelmäßig nicht für voll genommen und ein bisschen dumm gehalten zu werden hat uns trotzdem lange begleitet - mich (weil zweisprachig aufgewachsen) weniger als meine Frau, die eigentlich die Hellere von uns beiden und Promovierte ist.

    Klar, man kann individuelle Unannehmlichkeiten für ein individuelles Problem halten, aber letztlich führt das dazu, dass Deutschland sich selbst schadet, wenn es nicht in der Lage ist, das Potential seiner Zuwanderer zu heben.

    Und ebenso klar: Es mag tausend Beispiele geben, in denen das Niveau der Sprachbeherrschung Voraussetzung dafür ist, einen Job optimal zu erledigen. Das ist aber keine Rechtfertigung für die immer noch viel zu hohen unnötigen (Haltungs-)Barrieren, an denen regelmäßig als eine Art moralischer Anspruch an den Leistungswillen festgehalten wird, statt sie als das zu sehen, was sie sind: Ballast zum Schaden beider Seiten.

  • "Viel entscheidener als korrekte Grammatik ist, sich überhaupt verständlich machen zu können."

    Nach dem Motto verfahren auch einige Lehramtsstudierende.

    Ansonsten, klar, so lange man sich in einer Firma verständlich machen kann, ist alles gut. Da gibt es auch viel Toleranz.



    Das Beispiel mit London - nun, Englisch ist für viele selbstverständlicher als Deutsch.

  • Hier in Baden-Württemberg können viele, viele "Einheimische" selbst kein grammatikalisch korrektes Deutsch - von den gruseligen Dialekten ganz zu schweigen. 😉 Vielleicht sind die die Menschen hier deshalb etwas entspannter unterwegs zum Thema. Kommt mir jedenfalls oft so vor.



    Im Übrigen hatte ich bisher nicht den Eindruck, dass die Masse der Deutsch-Muttersprachler hierzulande andere Sprachen auch nur annähernd korrekt beherrscht. Also einfach mal den Ball flach halten...