Zu viel Anti-Trans-Hetze und zu viele Waffen

Viele Hassverbrechen richten sich in den USA gegen Transgender – zuletzt in Colorado Springs

Allein in diesem Jahr sind mindestens 32 trans Personen ermordet worden

Aus New Yorck Dorothea Hahn

„Trans Rechte sind Menschenrechte“, steht auf einem Zettel, den jemand vor den Ort des Massakers in Club Q in Colorado Springs in den Schnee zwischen die Blumen und Kränze gelegt hat. In der Nacht zu Sonntag ist ein mit einem halbautomatischen Gewehr und einer Pistole bewaffneter Mann in den Club gekommen und hat fünf junge Leute erschossen. Mehr als 25 andere verletzte er zum Teil schwer, bevor zwei Männer ihn überwältigen konnten. Es war das 602. Massaker dieses Jahres in den USA. Die Ermittlungen laufen auf Mord und auf ein mögliches Hassverbrechen.

SprecherInnen von LGBTQ-und Trans-Gruppen wollen nicht über die Motive des Täters von Colorado Springs spekulieren. Aber sie weisen auf die weit verbreitete Gewalt und politische Rhetorik gegen trans Personen hin.

Schon vor dem Massaker in Colorado Springs sind nach Angaben der Gruppe Human Rights Campaign in diesem Jahr mindestens 32 trans Personen in den USA ermordet worden. Die überwiegende Mehrheit von ihnen waren trans Frauen. Im letzten Jahr hat die Menschenrechtsorganisation ACLU 57 Morde an trans Personen erfasst. Die Dunkelziffer dieser Gewalttaten könnte noch höher sein, weil die Polizei nicht alle Opfer mit ihrer korrekten Genderzugehörigkeit erfasst.

In den Parlamenten mehrerer Bundesstaaten quer durch die USA kommt hinzu, dass konservative Politiker seit 2020 mehr als 100 Gesetzesentwürfe vorgelegt haben, die das Ziel haben, Rechte von trans Personen – unter anderem an Schulen, in Sportklubs und im Militär – zu beschneiden.

Im gerade zurückliegenden Wahlkampf für die Midterms war das Versprechen von Vorgehen gegen trans Personen landesweit ein zentrales Thema in konservativen Kampagnen.

„Es gibt eine Menge Angriffe auf unsere Gemeinschaft. Eine Menge Anti-LGBTQ-Rhetorik“, sagt Nadine Bridges, Chefin von One Colorado in einem Fernsehinterview nach dem Massaker. Und Sarah Kate Ellis, Präsidentin der LGBTQ-Gruppe Glaad, spricht von der „höchsten Zahl von Hassverbrechen seit zwölf Jahren“. Sie macht „Anti-LGBTQ-Politiker“, soziale Medien, „die Hass verbreiten“, und die „Untätigkeit“ der Regierung in Sachen Schusswaffenkontrolle verantwortlich.

In der konservativen Stadt Colorado Springs, wo zahlreiche Militärs leben und wo die rechte evangelikale Organisation Focus on the Family, die gegen Homosexualität „als Sünde“ predigt, ihren Hauptsitz hat, war Club Q lange das einzige Lokal für die LGBTQ-Community. In der Nacht zu Sonntag traten dort Dragqueens auf. Es war der Vorabend des Transgender-Gedenktags, an dem seit 1999 der zahlreichen Gewaltopfer gedacht wird.

Nicht nur Mitglieder der LGBTQ-Community waren in den Club gekommen. Auch Richard Fierro, seine Frau, seine Tochter und ihr Freund sowie mehrere Freunde waren unter den Gästen. Als der schwer bewaffnete 22-jährige Schütze in den Club kam und sofort das Feuer eröffnete, brachte ihn der 45-jährige Irak- und Afghanistan-Veteran Fierro zu Fall. Er entriss dem jungen Mann die Schusswaffen und fixierte ihn bis zur Ankunft der Polizei. Mindestens ein weiterer Gast half dabei. Doch für den Freund von Fierros Tochter kam das zu spät. Raymond Green Vance ist eines der fünf Todesopfer.

Der 22-jährige Tatverdächtige, der am Montag noch im Krankenhaus behandelt wurde, war vor einigen Monaten wegen einer Bombendrohung festgenommen worden. Aber das hinderte ihn nicht daran, schwere Waffen und Munition zu erwerben.

Seit dem Massaker von Colorado Springs haben bereits mindestens zwei weitere Massaker in den USA stattgefunden. Bis zum Montag, 21. November, hat die Organisation Gun Violence Archive (GAV) allein in diesem Jahr 39.482 Todesfälle durch Schusswaffen gezählt – davon waren zwei Drittel Suizide. Seit Beginn der Pandemie ist die private Bewaffnung noch schneller angestiegen.