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Wenig Liebe für Team Melli

Mit Geheimdienstmethoden versucht der Staat die iranische Mannschaft zum Propagandawerkzeug zu machen. Ein Spiel gegen die USA ist dafür besonders gut geeignet

Von Mina Khani

Iran gegen die USA. Es ist nicht das erste Mal, dass es bei einer WM-Endrunde zu dieser Paarung kommt. Unvergessen ist das Spiel beim Turnier 1998 in Frankreich, als der Iran die USA in Lyon mit 2:1 besiegt hat. Im Iran ist daraufhin die Propagandamaschine hochgefahren worden. Unmittelbar nach dem Abpfiff ist der bekannteste US-feindliche Hasssong im staatlichen Fernsehen gespielt worden. Am Dienstagabend (20 Uhr, MagentaTV) treffen die beiden Teams wieder aufeinander. Viele Ira­ne­r*in­nen befürchten nun, dass der iranische Staat die Partie wieder für seine Propagandazwecke instrumentalisieren könnte.

Indizien dafür gibt es genug. Einige hat die Hackergruppe „Black Reward“ geliefert. Die hat sich vor Kurzem ins Nachrichtensystem der iranischen Revolutionsgarden, „Fars News“, gehackt und Dokumente veröffentlicht, die davon zeugen, dass der iranische Staat die WM gegen die landesweite Protestbewegung im Iran propagandistisch ausschlachten möchte.

Schon Anfang November, das geht aus den Dokumenten hervor, ist von den sogenannten revolutionären Chefredakteuren in Zusammenarbeit mit einem Zentrum namens „Shams“ unter dem Namen „Mission WM“ ein Sonderprojekt aufgesetzt worden. Aus den Dokumenten sind verschiedene Herangehensweisen und Ansatzpunkte zu entnehmen, die allesamt zum Ziel haben, die Teilnahme der iranischen Nationalmannschaft an der WM in Katar gegen die Proteste im Iran auszuspielen: Zahlung von Bestechungsgeldern an die Spieler, gezieltes Androhen von Bestrafungen der Spieler bei unerwünschtem Verhalten, organisierte Festlichkeiten bei Erfolgen der Mannschaft, das Bearbeiten des portugiesischen Trainers Carlos Queiroz. Zudem sollten möglichst alle Interviews mit Medien unterbunden werden. Schließlich ging es auch um die Zusammenarbeit mit den Gastgebern in Katar, um jeden Protest von Fans vor Ort zu unterbinden. Die Hacker haben diese Dokumente an den farsisprachigen Sender Iran International weitergeleitet, der sie öffentlich gemacht hat.

Es ist das erste Mal in der iranischen Geschichte, dass die Teilnahme der iranischen Nationalmannschaft an der WM für so gemischte Gefühle in der iranischen Bevölkerung sorgt. Schon vor der Anreise nach Katar hat sich die Mannschaft mit dem Präsidenten der Islamischen Republik Ibraim Raisi getroffen. Dieses Treffen hat heftige Reaktionen ausgelöst und zu einer öffentlichen Auseinandersetzung und Debatte in der farsisprachigen Öffentlichkeit gesorgt. Raisi ist unter anderem mitverantwortlich für das Massaker an Tausenden politischen Gefangenen im Jahr 1988. Viele haben ein klares Zeichen von der Mannschaft erwartet, in dem sie deutlich macht, dass sie nicht freiwillig, sondern unter Zwang an dem Treffen teilgenommen hat. Die Erwartungen waren auch deswegen so hoch, weil zu diesem Zeitpunkt prominente Ex-Fußballer wie Ali Daei wegen ihrer offen gezeigten Solidarität mit den Protestierenden festgenommen worden waren oder wie im Falle von Ali Karimi unter Druck gesetzt wurden. Auch die Bilder von der Kletterin Elnaz Rekabi und anderer Sportlerinnen, die im Iran oder im Ausland bei internationalen Wettbewerben ihre Kopftücher abgelegt haben, hat die Erwartungen an das „Team Melli“, wie es im Land genannt wird, in die Höhe getrieben.

Die Sicherheitskräfte feiern und ein kritischer Fußballer sitzt in Haft

Es gab Meldungen, nach denen prominente Fußballer, Sport­le­r*in­nen und Schau­spie­le­r*in­nen ihren Unmut über die Feierlichkeiten nach dem Sieg des iranischen Teams im Spiel gegen Wales geäußert haben. Ali Karimi, einer der besten Fußballer, die je für den Iran gespielt haban, meinte etwa: „Beim Abfeiern des Siegs durch die Brutalsten des Regimes geht es nicht um den Sieg der Nationalmannschaft an sich, sondern um den Erfolg der Strategie des Staates in diesem Zusammenhang.“

Die unterschiedlichen Reaktionen auf den historischen Sieg gegen Wales – es war erst der zweite in der WM-Historie des Iran – lassen sich gut an zwei extremen Vorkommnissen um den Abend des Siegs herum veranschaulichen. Während die Sicherheitskräfte, die für die Ermordung zahlreicher Protestierender im Iran verantwortlich sind, den Sieg überschwänglich gefeiert haben, ist Voria Ghafouri verhaftet worden. Der kurdischstämmige Fußballer hatte wegen seiner Aussagen, mit denen er sich mit der iranischen Bevölkerung gegen den Staat solidarisiert hatte, seinen Platz in der Nationalmannschaft verloren und ist festgenommen worden.

Das Schweigen der Spieler, als vor dem Spiel gegen England die Hymne gespielt worden ist, hat für viel Aufsehen vor allem im Westen gesorgt. Vielerorts sind die verschlossenen Lippen regelrecht gefeiert worden. Sie galten als ein Zeichen des besonderen Muts der Spieler. Und doch hat es in der iranischen Bevölkerung noch nie so viel Enttäuschung über die Nationalmannschaft gegeben wie bei diesem Turnier. Umso gespannter blickt man nun auf die Partie gegen die USA. Die Frage ist nun, wie das Team vom Staat instrumentalisiert wird, inwieweit es sich auch instrumentalisieren lässt.

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