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Kollektiv für Mbappé

Nach Frankreichs 2:1-Erfolg über Dänemark schwärmt sogar der Gegner vom zweifachen Torschützen Kylian Mbappé. Der 23-jährige Stürmer könnte der Star dieser WM werden

Zieht alle Aufmerksamkeit auf sich: Mbappé bejubelt seinen zweiten Treffer gegen Dänemark Foto: Fo­to:­ Peter Cziborra/reuters

Aus Doha Daniel Theweleit

Ein recht schwer durchschaubares Lächeln ist Teil der Fassade, hinter der sich der Mensch Kilian Mbappé durch die Fußballwelt bewegt, zumindest dann, wenn er nicht gerade eine dieser Hochintensitätsaktionen durchführt, die ihn zu einem solch außergewöhnlichen Sportler machen. Beim 2:1-Sieg gegen Dänemark, mit dem die Franzosen sich am Samstagabend als erstes Team des Turniers ins Achtelfinale beförderten und Mbappés eigene Ambitionen auf die Rolle als WM-Supersuperstar untermauerten, gab es etliche Momente dieser Art zu bestaunen. Beide Tore hatte Mbappé geschossen, und als er sich schließlich auf den Weg zum Mannschaftsbus begab, trug er nicht nur sein Mbappé-Lächeln im Gesicht, sondern auch diese rot schimmernde Trophäe für den besten Spieler des Spiels im Arm.

Etwas sagen mochte er nicht, aber das war auch gar nicht notwendig, er hatte Taten sprechen lassen und ließ andere schwärmen. „Er ist ein außergewöhnlicher Spieler, aber er ist ein Teil eines außergewöhnlichen Teams“, sagte Trainer Didier Des­champs. Das Bemühen, den Fokus der Öffentlichkeit ein wenig von Mbappé weg hin zum Kollektiv zu lenken, ist ein Dauerprojekt dieser WM des Titelverteidigers, war aber an diesem Abend ein eher hoffnungsloses Unterfangen. Nach seinen beiden Treffern hat der Angreifer von Paris St.-Germain nun 31 Tore fürs Nationalteam geschossen, genauso viele wie Zinedine Zidane. Im Alter von 23 Jahren. Mbappé führte zumindest bis zu den Sonntagsspielen die Torjägerliste der WM an, gemeinsam mit dem Ecuadorianer Enner Valencia, der aber erheblich geringere Aussichten hat, mit seinem Team bei diesem Turnier weit zu kommen. Spätestens mit diesem Abend ist Mbappé der aussichtsreichste Kandidat für die Rolle jenes WM-Spielers, der alle anderen überstrahlen könnte.

Denn Neymar ist erst einmal verletzt, Lionel Messi kommt zwar langsam im Gang, muss aber weiter fürchten, in der Vorrunde zu scheitern. Zudem spielt kein anderer Kandidat dieses Turnier mit einer überzeugenderen Mischung aus eigener Form und Qualität der Mitspieler wie Mbappé, selbst die Dänen schwärmten. „Es ist jedes Mal ein Privileg, gegen ihn zu spielen“, sagte der Verteidiger Rasmus Kristensen, dessen Team viel zum hervorragenden Gesamtniveau des Spiels beigetragen hatte. Der Mannschaft von Trainer Kasper Hjulmand war nicht nur zwischenzeitlich das 1:1 gelungen (68., Andreas Christensen), sie hatte auch weitere gute Chancen. Aber am Ende wurde das Duell durch die offensive Brillanz des Titelverteidigers entschieden: Mbappé, der in der 61. Minute das erste Tor geschossen hatte, gelang vier Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit auch der umjubelte Siegtreffer, nach wunderbarer Vorarbeit von An­toine Griezmann. „Wir kennen seine Qualitäten sehr genau, wir wissen, dass er den Unterschied für uns machen kann. Wenn wir ihn in eine gute Position bringen, wird er den Rest erledigen“, sagte Verteidiger Raphael Varane. Und die Kollegen bringen Mbappé sehr regelmäßig in diese „gute Position“.

„Es ist jedes Mal ein Privileg, gegen ihn zu spielen“

Rasmus Kristensen, Dänemark

Auch Varane versuchte also mit seinen Erläuterungen, nicht nur Mbappé zu feiern, sondern das Gesamtbild von einem starken Kollektiv zu vervollständigen. Der Star werde „sehr gut von den anderen unterstützt“, sagte Trainer Deschamps. Das ist für die zu inneren Zerwürfnissen neigenden Franzosen wohl tatsächlich der Schlüssel zum Erfolg bei dieser WM. Und im Moment deutet alles darauf hin, dass Frankreich als sehr harmonische Einheit auftritt.

Ousmane Dembélé hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren beim FC Barcelona von einem wahnsinnigen Genie in einen sehr seriösen Offensivvirtuosen entwickelt, Griezmann glänzt in einer Rolle als eine Art Zehner hinter dem französischen Dreiersturm, und Olivier Giroud hat im Eröffnungsspiel zwei Tore erzielt und riss nun durch seine kluge Laufarbeit viele Lücken für die Kollegen. Zudem erlebt Adrien Rabiot, der sich aufgrund seines nicht ganz einfachen Charakters schon öfter selbst im Weg stand, im zentralen Mittelfeld die beste Phase seiner Na­tio­nal­mannschaftskarriere. „Er ist in fast jedem Spiel ent­scheidend“, sagte Giroud. Es gibt nicht viele Teams bei dieser WM, die den Luxus solch eines Spielers haben.

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