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Nach dem Abzug der BundeswehrBetrüger nutzen Unsicherheit

Das Aufnahmeprogramm der Bundesregierung für gefährdete Af­gha­n*in­nen verzögert sich. Wie Betrüger die Angst Betroffener nutzen, zeigen einige Fälle.

Warten in Angst: Noch immer harren gefährdete Af­gha­n*in­nen in Afghanistan und Nachbarländern aus Foto: Achim Schmidt

Die Taliban haben vor Kurzem verkündet, Verstöße gegen islamische Regeln – wie etwa Alkoholkonsum oder „Unzucht“ – mit drakonischen Strafen zu belegen. Dazu gehört das Abhacken von Körperteilen oder öffentliches Auspeitschen. Indessen befindet sich das Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Af­gha­n*in­nen weiterhin in einer Vorbereitungsphase. Kritik daran wurde unter anderem von der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger laut: „Das verzögernde und intransparente Vorgehen der Bundesregierung ist für die Betroffenen die reinste Katastrophe. Es begünstigt auch Betrügereien, die die prekäre Situation der Schutzsuchenden ausnutzen.“

In der sogenannten Phase 1 des Bundes­aufnahmeprogramms können melde­be­rech­tig­te Stellen ihnen bekannte Fälle besonders ge­fähr­de­te*r Af­gha­n*in­nen weitergeben. Allerdings fehlt eine offizielle Auskunftsmöglichkeit, welche Organisationen „meldeberechtigte Stellen“ sind. Betroffene wüssten daher nicht einmal, an wen sie sich wenden können, kritisiert Bünger. Eine Aufnahmeanordnung fehlt nach wie vor.

Was in Zeiten dieser Unsicherheiten floriert, sind Betrügereien. Ein Fall führt von Kabul bis nach Kassel. Dort hat der Inhaber eines Lebensmittelgeschäfts offenbar 10.180 US-Dollar über das informelle Zahlungssystem Hawala in Empfang genommen. Für diese Summe sollte eine afghanische Familie eine Verpflichtungserklärung für deutsche Visa erhalten.

Doch nach der Zahlung hätten die Kontaktpersonen – zwei afghanische Männer – auf keine Nachricht mehr reagiert, schildert ein Betroffener. Jan Oelbermann, Oberstaatsanwalt und Sprecher der Staatsanwaltschaft Bochum, bestätigt, dass im geschilderten Sachverhalt bereits ein Verfahren wegen Urkundenfälschung gegen zwei Personen durchgeführt werde, die nach „hiesiger Erkenntnis“ strafrechtlich nicht vorbelastet seien.

Fälschung mit echten Daten

Die Betrüger verwendeten eine gefälschte Verpflichtungserklärung mit echten Daten. Die taz hat den angeblichen Verpflichtungsgeber kontaktiert, ihm ein Foto der Erklärung zugesandt. „Das habe ich ausgefüllt“, schreibt er, seine Ausweisdaten seien allesamt korrekt. „Ich habe das aber nicht für irgendeine Familie gemacht, sondern für meine Mutter“, erklärt er am Telefon. Die habe er seit mehr als sieben Jahren nicht gesehen, wollte sie für einen Besuch nach Deutschland einladen. „Ich kann nicht zu ihr nach Afghanistan reisen, das ist zu unsicher“, sagt er.

Das Visum sei trotz Verpflichtungserklärung abgelehnt worden aus Sorge, die Mutter könne dauerhaft in Deutschland bleiben wollen. Dass sich nun jemand das Formular zunutze macht, macht ihn fassungslos: „Ich bin mit meinen Dokumenten eigentlich vorsichtig und lasse sie nicht irgendwo herumliegen.“ Wenig später meldet er sich noch mal: Er wolle Anzeige erstatten – wegen Missbrauchs seiner Daten.

Mit deutschen Sprachkenntnissen ist die Fälschung trotz echter Personendaten eindeutig erkennbar. Das bestätigt auch Peter van Dyk von der Pressestelle der Stadt Bochum, der der Vorgang bereits bekannt ist, da dort angeblich das Formular gezeichnet und gestempelt wurde. Zusätzlich zu Schreibfehlern, unterschiedlich langen Hintergrundlinien, einer gefälschten Seriennummer und der Nennung einer falschen Behörde weicht die angebliche Gebühr stark ab: 1.399 Euro soll diese betragen haben. Tatsächlich liege sie bei 29 Euro, so van Dyk. Die übrige Summe, die die betroffene Familie überweisen sollte, wurde mit hohen Flugpreisen gerechtfertigt. Auch die digitalen Flugtickets bei Qatar Airlines entpuppten sich als Fälschung, schildert der Betroffene.

Während diese Betrüger auf eine existente Vorgehensweise setzen, erfindet die Organisation IOMA (taz berichtete) schlichtweg ein Verfahren: 400 Dollar pro Person sollen sogenannte Verification Letter kosten, die Zugang zum europäischen Asylsystem verschaffen würden. Ein Betroffener berichtet per Messenger: „Ich war zusammen mit meiner Frau im Büro von IOMA. Der Leiter sprach persönlich mit uns. Zunächst verschickte er für uns eine E-Mail an deutsche Organisationen, dann sagte er, wir müssten jetzt etwas bezahlen.“ Seltsam sei ihm dies erschienen – besonders, als besagter Leiter sich weigerte, eine Vereinbarung über seine Leistung für die hohe Summe zu verschriftlichen. „Wir sind dann gegangen“, so der Familienvater.

Ein weiterer Betroffener berichtet, ihm sei am Telefon gesagt worden, es handle sich um humanitäre Hilfe und die sei selbstverständlich kostenlos. Vor Ort sei dann aber eine Gebühr verlangt worden. Die genaue Summe habe er sich nicht nennen lassen, sondern auf dem Absatz kehrtgemacht.

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