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Eine Gesundheitsstudie mit vielen Lücken

Eine Studie zeigt, dass Hamburger überdurchschnittlich gesund sind. Doch weil detaillierte Angaben nach Stadtteilen fehlen, gibt es Kritik an der Nützlichkeit der Studie

Von Sebastian Ridder

Eine grünblaue Karte Deutschlands präsentierte Susanne Klein am Mittwochvormittag aus dem Morbiditäts- und Sozialatlas des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung. Ein besonders grüner Fleck befindet sich im Norden: „Hamburg ist das gesündeste Bundesland in Deutschland“, verkündete die Landesgeschäftsführerin der Barmer Krankenkasse. Aus den Daten gehe weiter hervor, dass sich jedoch auch in Hamburg Armut und geringe Bildung sowie die Arbeit in bestimmten Branchen negativ auf die Gesundheit und Lebenserwartung auswirken.

„Mit dem interaktiven Tool wollen wir die Wissenschaft und eine breite Bevölkerung ansprechen“, erklärt Kleins Kollege Klaus Stein. Versorgungs-, Präventions- und Bildungsangeboten biete der Atlas eine Grundlage für eine zielgruppengenaue Abstimmung.

Für Susanne Rahlf vom Hamburger Sozialverband (SoVD)seien diese Erkenntnisse aber nichts Neues. Vielmehr kritisiert sie Mängel an der Studie, denn Versorgungs-, Präventions- und Bildungsnachfragen müssten lokalisiert werden: „Es überrascht mich, dass die Daten für einzelne Stadtteile nicht dabei sind. Probleme der sozialen Brennpunkte und der lokalen Ärzteversorgung werden mit dieser Statistik nicht beleuchtet“, sagt die Sprecherin des Landesverbands Hamburg. Auch für Jochen Kriens von der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg sei es wünschenswert, wenn Daten kleinteiliger vorliegen, um auf dieser Basis Konzepte sozialer und gesundheitlicher Angebote zu erstellen.

Gemessen am Bundesdurchschnitt trägt Hamburg mit 87 von 100 Punkten, die den Durchschnitt angeben, den geringsten Anteil der Krankheitslast in Deutschland. Dicht darauf folgen Bremen und Baden-Württemberg mit 88 Punkten. Bei Herzerkrankungen ist die Bevölkerung der Hansestadt mit 195 Erkrankungen je 1.000 Einwohnern ebenfalls am wenigsten betroffen. Darüber hinaus lagen die Werte für Kopfschmerzen und Migräne, chronischen Schmerzen und Diabetes unter dem Durchschnitt. Warum Hamburg so gesund sei, könne der Atlas allerdings nicht erklären. „Das geben die Zahlen nicht her. Ich schätze aber, die vielen jungen Menschen könnten eine Erklärung sein“, sagt Klein.

„Probleme der sozialen Brennpunkte werden mit dieser Statistik nicht beleuchtet“

Susanne Rahl, Sozialverband Hamburg

Negativ fällt hingegen der Alkohol- und Drogenmissbrauch in Hamburg auf. Zwar liegt die Stadt nicht auf einem Höchstwert, jedoch kommen auf je 1.000 Einwohner über 22 betroffene Menschen. Das übertrifft den bundesweiten Durchschnitt um 18 Prozent. Bremen übertrifft den Durchschnittswert sogar noch um 42 Prozent. Weiter liegt der Anteil an chronischer Hepatitis Erkrankter über dem Durchschnitt in Hamburg.

Die anonymisierten Daten acht Million Versicherter, davon 175.000 aus Hamburg, zeigen laut Angaben, dass besonders häufig Menschen mit geringem Einkommen, geringem Bildungsniveau neben weiteren Faktoren öfter erkranken: So zeigt der Atlas für Hamburg, dass der Anteil erkrankter So­zi­al­hil­fe­emp­fän­ge­r*in­nen beinahe sechs mal so hoch ist wie der Anteil erkrankter Selbstständiger.

Laut Stein seien die Daten auf Stadtteilebene nicht im Verhältnis zur Bundesebene empirisch aufzuarbeiten. „Damit würden wir uns die wissenschaftlich fundierte Arbeit zunichte machen“, heißt es zur Begründung.

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