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Die Wahrheit„Die Zukunft heißt SchülerVZ“

Wahrheit exklusiv: Der bei Twitter gefeuerte und von Bundesverkehrsminister Wissing angeheuerte Tech-Star Rick Steves über das Silicon Saxony-Anhalt.

Voll und ganz pfeilgerade nach Teletext im Silicon Saxony-Anhalt Foto: reuters

Elon Musk hat beim Kurznachrichtendienst Twitter Tausende entlassen. Darunter ist auch das Tech-Genie Rick Steves. Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) gelang ein Jahrhundertcoup, als er Steves für sein Ministerium gewann. Die Wahrheit sprach exklusiv mit dem Tech-Tausendsassa über seine neuesten Pläne.

taz: Mister Steves, Sie haben den kometenhaften Abstieg Twitters in den letzten Wochen hautnah miterlebt. Wie sah es hinter den Kulissen aus?

Rick Steves: Seit Elon Musk Ende Oktober mit einem Waschbecken zu Twitter kam, erinnere ich mich nur noch lückenhaft. Was ich aber genau weiß: Er hat das Waschbecken nie benutzt, auch nach Toilettengängen nicht! Im November wurde es dann immer nerviger. Alle Twitter-Angestellten mussten im täglichen Meeting mindestens ein Bauteil des Tesla Model 3 nennen. Weil mir da nichts eingefallen ist, wurde ich direkt rausgeschmissen.

Auf die 20-Zoll-Zero-G-Räder oder den Doppelquerlenker hätten Sie kommen können.

Sie haben recht, aber mit dem Laden hat es sich eh ausgezwitschert. Man sollte Musk in eine Rakete verfrachten und auf den Mars schießen.

Gar nicht so unwahrscheinlich.

Sie nun wieder. Ich habe gehört, dass ihr Deutschen gar nicht mehr auf Twitter zwitschert, sondern nur noch auf Mastodon trötet. Wie dieser riesige Elefant mit der hässlichen Mütze, wie heißt der noch mal?

Benjamin Blümchen.

Right, Benjamin the Elephant. Ehrlich gesagt halte ich von ihrem Elefanten nicht viel, aber noch viel weniger halte ich von Mastodon.

Wieso? Es ist dezentral, nicht profitorientiert und gehört keinem irren Multimilliardär.

Reden Sie nur neunmalklug daher – alle Erfindungen mit Tierbezügen scheitern früher oder später: der Vogel, die Maus oder der Käfer, um nur ein paar aufzuzählen.

Nun ja. Sie sind dann von San Francisco direkt nach Berlin. Allerdings arbeiten Sie nicht im Verkehrsministerium, sondern in einem Büro bei Bitterfeld-Wolfen. Warum?

Die weiten Äcker des Silicon Saxony-Anhalt neben der A 9 erinnern mich an die unbegrenzten Möglichkeiten unserer Branche. Verbrennergeruch und Schornsteinschlote, wunderbar. Volker wollte unbedingt unser Office eng an die Coworking-Spaces der Bay Area anlehnen. Das Gewerbegebiet Wiesewitzer Mark lebt dieses Mindset. Unser Büro teilen wir dort mit der Keramikscheune Spuckendorf und dem Schnitzeltower. Wir haben eine Dartscheibe und cruisen für neue Ideen mit dem Piratenschiff „MS Reudnitz“ auf dem Goitzschesee. Die San Francisco Bay kann einpacken.

Das Silicon Saxony-Anhalt klingt mir eher nach Klitsche.

Wie bitte? Die Menschen hier sind viel weltoffener als im engstirnigen San Francisco. Ein Land der Frühaufsteher ist Saxony-Anhalt, genau das braucht es für ein neues soziales Netzwerk made in Germany.

Was planen Sie hier denn eigentlich?

Momentchen, ich habe Ihnen den Entwurf mitgebracht (Rick Steves kramt, reicht eine Kladde).

Das ist eine Kladde, auf der „To-Do 1984“ und „Deutsche Bundespost“ steht.

Ja, genial, oder? Wir lieben den Analog First Approach der deutschen Regierung. Auf Retrozeug fahren junge Leute doch total ab. Volker hat einen unerschöpflichen Fundus von solchen Project Proposal Templates in seinem Behördenkeller. Aktuell coden wir an einem interaktiven Verzeichnis, das ähnlich wie dieses olle Ding namens Facebook funktioniert, aber nur für Schülerinnen und Schüler ist.

Sie meinen aber nicht SchülerVZ, oder?

Sie kennen das? Ich war sofort begeistert. Wir brainstormen an vielversprechenden Gruppennamen, so was wie: „Entschuldigen Sie, riecht dieses Taschentuch nach Chloroform?“

Das kommt mir bekannt vor.

„Willst mit Stil die Straße rocken, nimm die Hose aus den Socken“ hätte ich auch noch anzubieten.

Ich weiß ja nicht. Und was machen Sie eigentlich mit den ganzen Alten?

Unsere Senior Development Engineers tüfteln auch an einem SeniorVZ für die älteren Herrschaften. Und dann gibt es noch dieses vielversprechende Projekt Teletext im Fernseher. Volker hat uns das ganz besonders ans Herz gelegt.

Sie wissen, dass es Teletext schon über 40 Jahre gibt?

Ja, und? Da werden pro Zeile nur 40 Zeichen angezeigt, da fassen sich die Leute noch kürzer als bei Twitter, genial. Und Fernbedienungen sind zum Tippen viel besser als herkömmliche Tastaturen.

Warum nutzen Sie nicht gleich Faxgeräte? Damit kann man lustige Kettenbriefe versenden.

Interessant! Texten Sie mir morgen auf meinen Pager, dann drehen wir ein Brainstorming-Ründchen auf der Goitzsche.

Mister Steves, vielen Dank für das Gespräch.

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