Angriff auf Mahnwache vor Iran-Botschaft: Fatales Signal
Während des Angriffs will die Berliner Polizei alles richtig gemacht haben. Doch die Attacke zeigt: Nicht mal im Ausland sind Exiliraner sicher.
N ach wie vor hat die Polizei keine Erkenntnisse, wer hinter den Angriffen auf die Mahnwache vor der iranischen Botschaft steckt. Für die Veranstalter ist klar, dass es Anhänger des Mullahregims waren. Dass der Staatsschutz ermittelt, zeigt: Auch die Polizei geht von einem politischen Motiv aus.
Seit dem 17. Oktober gibt es die Mahnwache gegenüber der iranischen Botschaft in Berlin-Zehlendorf. Ein Wohnwagen dient der Gruppe namens Iranische parlamentarische Monarchie als Stützpunkt. Wiederholt habe es Bedrohungen und Beleidigungen auf offener Straße von Regimeanhängern gegeben, berichtete der Sprecher der Gruppe der taz.
In der Nacht zu Sonntag war die vierköpfige Besatzung des Wohnwagens von drei Maskierten angegriffen worden. Zunächst hatten diese die Plakate vom Wohnwagen gerissen. Bei der anschließenden Schlägerei erlitten die Aktivisten der Mahnwache Prellungen und Rippenbrüche, einer wurde mit einem Messer am Fuß verletzt. Die Angreifer seien mit einem roten Porsche geflohen; einer habe dabei noch mit einer Pistole in ihre Richtung gedroht, berichtete der Sprecher der Mahnwache.
Obwohl die gegenüberliegende Botschaft von drei Objektschützern bewacht war, hatten die Täter unerkannt entkommen können. Die Veranstalter werfen den Objektschützern nun vor, tatenlos zugesehen und die Polizei viel zu spät benachrichtigt zu haben.
Objektschutz hat immer Vorrang
Die Pressestelle der Polizei hat den Vorwurf am Montag in einer Pressemitteilung zurückgewiesen. Einer der Objektschützer sei in Richtung des Wohnwagen gegangen und habe die Täter durch Zuruf aufgefordert, die Plakate in Ruhe zu lassen.
In einer weiteren Pressemitteilung legte die Polizei am Dienstag nach. Objektschützer seien im Unterschied zu Polizisten Tarifbeschäftigte, ihre Aufgabe sei der Schutz des jeweiligen Objektes – in diesem Falle die iranische Botschaft. Wenn es anderweitig zu Straftaten komme, hätten sie keine Polizeibefugnisse, könnten aber nach dem „Jedermannsrecht“ wie jeder andere Mensch auch Notwehr und Nothilfe leisten.
„Der Auftrag, das Objekt zu schützen, hat jedoch grundsätzlich Vorrang vor anderen Pflichten, so dass sie bei dringenden Hilfeersuchen stets angehalten sind, Vollzugskräfte anzufordern“, heißt es wörtlich. Fazit der Polizei: Die Objektschützer haben an der iranischen Botschaft alles richtig gemacht.
Botschaften genießen einen besonderen völkerrechtlichen Schutz, der durch das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen geregelt ist. Wenig bis gar nicht öffentlich bekannt ist indes, dass das Botschaftspersonal berechtigt ist, Waffen zu tragen. Diese müssen dazu noch nicht einmal eine waffenrechtliche Erlaubnis haben, hatte der Tagesspiegel diese Woche aus einer kleinen parlamentarischen Anfrage zitiert, die Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) beantwortet hatte. Welche ausländischen Botschaften in der Stadt mit bewaffnetem Personal arbeiten, sei dem Senat nicht bekannt. Auch das Auswärtige Amt erteile dazu keine Auskünfte.
Erinnerungen an das Mykonos-Attentat
Bei Botschaften von Unrechtsregime wie dem Iran überkommt einen da das Gruseln. Erinnerungen an das Mykonos-Attentat werden wach. Am 17. September 1992 hatten Fundamentalisten im Auftrag des Mullahs vier kurdische Regimegegner in einem griechischen Lokal in Berlin erschossen.
Die Veranstalter der Mahnwache sagen, sie hätten den Standort vor der Botschaft auch wegen des Objektschutzes gewählt. Sie hätten angenommen, dort sicherer zu sein. Fragen der taz, ob und wenn ja wie die Mahnwache fortan geschützt werde, beantwortete die Polizei nur ausweichend. Generell würden zu konkreten Schutzmaßnahmen keine detaillierten Auskünfte gemacht.
Eigentlich sollte mit der Mahnwache das Zeichen in Richtung Iran ausgehen, wir sind an eurer Seite, wir machen hier Druck. Nun hat sich gezeigt: Selbst Exiliraner im Ausland sind vor dem langen Arm der Mullahs nicht sicher. Für alle, die im Iran trotz der Unterdrückung mutig Widerstand leisten, ist das ein fatales Signal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Anschläge auf „Programm-Schänke“
Unter Druck
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Grundsatzpapier des FInanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik