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Ausstellung Gefährliche NachbarschaftenBelastende Polizeipräsenz

Der Park Fiction auf St. Pauli wird von den Behörden als „gefährlicher Ort“ eingestuft. Nun spiegelt eine Ausstellung das Verhalten der Polizei.

Nachts im Park: Die Polizei lässt den Torso auf Hans Christs Poster wie ein Gewaltopferwirken Foto: Christoph Schafer

Hamburg taz | Schaut man die Außenwand des Golden-Pudel-Clubs hoch, fällt der Blick auf sechs auf eine Plane gedruckte Polizisten, die fast bedrohlich von der Fassade des Hauses auf einen runterblicken. Beinahe hat man das Gefühl, sie würden jeden Moment aus dem Bild treten, auf einen zukommen und fragen, was man hier eigentlich treibt.

Auf die Illustration von Nabila Malalai Attar können interessierte Besucher derzeit auf dem Park-Fiction-Gelände einen Blick werfen. Sie ist Teil der Open-Air-Ausstellung mit dem Namen „Gefährliche Nachbarschaften“, bei der 17 internationale Künstler der Frage nachgehen: „Wie verändert sich die Skulptur, wenn ein Polizist danebensteht?“

Die Skulptur ist hierbei der Park Fiction am Hamburger Hafen. Hinter der Frage verbirgt sich ein künstlerischer und politischer Protest gegen das rigorose Eingreifen der Behörden am sogenannten „gefährlichen Ort“, als der die Grünfläche seit 2016 bezeichnet wird. Man wolle aber auch zeigen, wie sich zum Beispiel ein Gespräch verändert, wenn ein Polizist anwesend ist. „Ein Anruf wie ‚Hey, Sie da!‘ aus dem Mund eines Polizisten kann eine ganz andere Bedeutung bekommen“, so der Co-Kurator und Künstler Christoph Schäfer.

Im Jahr 1995 wurde das Park-Fiction-Kunstprojekt von St. Pau­lia­ne­r*in­nen auf die Beine gestellt. Unter monatelanger Beteiligung einer ganzen Nachbarschaft entstand 2005 eine Art Wohnzimmer unter freiem Himmel. Mit seinen Palmen aus Plastik, begrasten, fliegenden Teppichen und einem Tartanfeld hat sich der Park Fiction schnell zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt.

Kollektives Wunschprojekt

Eigentlich sollte hiermit ein kollektives Wunschprojekt in Erfüllung gehen. Unmittelbar darauf stufte der damaligen Innensenator Udo Nagel, ein parteiloser Hardliner, das angrenzende Gelände als „Gefahrengebiet“ ein. Damit wurde eine ganze Nachbarschaft pauschal unter Verdacht gestellt.

„Das Gefahrengebiet wurde 2015 sogar für verfassungswidrig erklärt“, berichtet die Künstlerin Margit Czenki, die schon seit der Gründung 1995 Teil des Park-Fiction-Komitees ist. „Tatsächlich aber hat sich das Ganze unter anderem Namen fortgesetzt.“ Das Gefahrengebiet heißt nun „gefährlicher Ort“.

Obwohl inzwischen ein begründeter Verdacht vorliegen muss, kontrollieren die Beamten der Task Force „Drogen“ am Park Fiction in alter Manier weiter und unterwerfen Anwohner und Besucher ihren willkürlichen Verdächtigungen.

„Die Polizisten befinden sich oft noch in der Ausbildung und kommen meistens aus dem Umkreis von Hamburg. Sie kennen sich mit dem Leben auf St. Pauli also gar nicht aus“, sagt Czenki. Es gab noch Zeiten, in denen Beamte noch gewusst hätten, wo ihr Eingreifen erforderlich sei. Das wäre jetzt anders, schlussfolgert die Künstlerin.

Für einen Lacher sorgt die Fotografie von Hinrich Schultze: Er hat die Polizei beim Wildpinkeln erwischt

Auf insgesamt 17 Latexdrucken können sich die Besucher verschiedene Formen der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema „Polizeipräsenz“ anschauen. Die meisten Werke nehmen Bezug auf das Geschehen rund um den Park Fiction.

Eigentlich sollte die Ausstellung schon vor vier Wochen beginnen. Zunächst hätte die Polizei aber verlangt, die Motive der Ausstellung kontrollieren zu wollen. Dieser Zensurversuch „verdeutlicht eben auch noch mal, wie gefährlich die Situation geworden ist“, so Czenki. Die Polizisten wüssten ihren Aufgabenbereich nicht mehr einzuschätzen und würden ganz klar ihre Befugnisse überschreiten.

Pina Distelmeyer und Sidney Logan illustrieren zum Beispiel das Erlebnis der Anwohnerin Birgit Hornung, die während des Lockdowns ihren Hund ausgeführt hatte. Dabei wurde sie gleich von fünf Polizisten beobachtet. „Ich habe mich wie bei Asterix und das gallische Dorf gefühlt“, sagt Hornung, die zur Eröffnung der Ausstellung gekommen ist. Dass man nur noch Gruppen von Polizisten sehe, die einen argwöhnisch mustern, löse ein starkes Unsicherheitsgefühl aus.

Die Ausstellung

„Gefährliche Nachbarschaften“, Park Fiction, Pinnasberg, Hamburg, rund um die Uhr zugänglich. Noch bis 27. 11.

Ein ähnliches Bild zeichnet das Panorama der Filmemacherin Margit Czenki nach. Neben einigen Momentaufnahmen nachbarschaftlichen Zusammentreffens dominieren Bilder der Polizei. Ein Foto aus dem Panorama zeigt Beamte dabei, wie sie eine Frau gewaltsam zu Boden drücken. „Die Frau hat gar nichts gemacht. Sie hat den Polizisten nur widersprochen. Das ist dann in dieser Szene geendet, wo sie von Beamten aufs Pflaster gedrückt wird“, sagt Czenki.

Für einen kurzen Lacher sorgt die Fotografie von Hinrich Schultze, der die sonst so ordnungsliebende Polizei beim Wildpinkeln erwischt hat. „Das Bild spricht, denke ich, mal für sich selbst“, sagt Czenki schmunzelnd. Während man an den Illustrationen vorbeigeht, kann man selbst Zeuge der allgegenwärtigen Polizeipräsenz werden.

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1 Kommentar

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  • An dieser Ecke wird dermaßen offen mit Drogen gehandelt, dass ich mich eher wundere, dass da nicht mehr Polizei ist und den Eindruck habe, das wird mehr oder weniger geduldet. Wenn ich da mal durchlaufe, werde ich jedesmal von etlichen Dealern abgerutscht. Ich finde das nicht weiter schlimm, aber man sollte sich gerne dort nicht wirklich über die Polizei beklagen. Auf dem Kiez gelten auch keine anderen Gesetze, als anderswo ("sie kennen sich mit dem Leben auf St. Pauli also gar nicht aus“).