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Stadtreinigung entfernt TauschboxAbriss statt Kommunikation

Auf St. Pauli wurde eine Tauschbox ohne Ankündigung von der Hamburger Stadtreinigung zerstört und entsorgt. Nun protestieren die Anwohner*innen.

So sah sie aus, als sie noch stand: die Freebox auf dem Paulinenplatz in Hamburg-St. Pauli Foto: privat

Hamburg taz | Nur wenige Grad über Null, leichter Regen, der Wind pfeift durch die Straßen St. Paulis – doch selbst an einem nasskalten Novembertag wie diesem besuchen Menschen im Minutentakt den Ort am Paulinenplatz, an dem bis zum frühen Dienstagmorgen noch das von An­woh­ne­r:in­nen gepflegte Tauschregal „Freebox“ gestanden hatte. Weiße Transparente mit Unmutsbekundungen und Forderungen an den Bezirk Hamburg-Mitte zieren nun den Zaun nebst einem Servierwagen und einer gelben Postbox, die notdürftig die entfernte Freebox vertreten. Der Bezirk Hamburg-Mitte hat die Tausch- und Spendenbox nach fast zwei Jahren in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entfernt.

Eine „Freebox“ ist ein Tauschregal, von Freiwilligen aufgebaut und organisiert, in dem gebrauchte und nicht mehr gebrauchte Dinge getauscht oder einfach nur verschenkt werden können. Die Box steht auf öffentlich zugänglichem Grund und ist für alle Menschen rund um die Uhr nutzbar. Tauschboxen stehen an vielen Orten in Hamburg, auch die Stadt selbst wirbt mit den selbstverwalteten nachhaltigen Projekten.

„Im Januar 2021 wurde die Freebox gebaut“, erinnert sich Christian Oppermann, der bis vor Kurzem selbst in der Nachbarschaft des Paulinenplatzes wohnte und sich mit etwa zehn weiteren An­woh­ne­r:in­nen um die tägliche Pflege, Reinigung und Ordnung der Freebox gekümmert hat. Die abgerissene Box sei die zweite Version gewesen, aus hochwertigem und haltbarem Bauholz gezimmert. Drinnen sei viel Platz für Klamotten, Schuhe und alles Mögliche gewesen, die Box sei viel genutzt worden.

Dass sie jetzt abgerissen wurde, kann Oppermann nicht verstehen. „Vor ein paar Tagen haben wir das Gerücht gehört, dass aufgrund einer Umstrukturierung in der Behörde ein anderer Umgang mit den Tauschboxen angestrebt wird und unsere Box akut gefährdet ist.“

Wir sind schockiert über die Herangehensweise der Stadt

Christian Oppermann, Anwohner

Wenige Tage später, am frühen Dienstagmorgen, rückte die Stadtreinigung an. Auf einem Video ei­ne:r Pas­san­t:in ist zu erkennen, wie drei Mitarbeitende die Box mit Äxten kurz und klein schlagen. „Wir sind schockiert über die Herangehensweise der Stadt, die Box ohne jegliche Kommunikation oder Kontaktaufnahme zu entfernen“, so Oppermann.

Dass man nicht erst das Gespräch gesucht habe, begründet die Stadtreinigung gegenüber der taz mit fehlenden Kontaktdaten an der Box. „Wenn Tausch- und Spendenboxen sinngemäß genutzt und regelmäßig gepflegt werden, unterstützen wir diese Idee grundsätzlich. Hier war dies über mehrere Monate nicht der Fall, dadurch wurde eine zunehmende Vermüllung der Box und des Umfelds ausgelöst und ein Fehlnutzung des anliegenden Spielplatzes begünstigt“, so die Stadtreinigung.

Die Gruppe der freiwilligen Hel­fe­r:in­nen habe in der jüngsten Zeit weniger Kapazitäten gehabt, sich um die Box zu kümmern und sie sauber zu halten, so Oppermann. In einem Aufruf in der Nachbarschaft habe man nun jedoch sechs neue Freiwillige mobilisieren können. So wäre auch in Zukunft die Ordnung und Sauberkeit der Box gewährleistet gewesen.

Noch am selben Abend hätten sich in zwei Stunden etwa 100 Personen bei einer Kundgebung am Paulinenplatz beteiligt, neben gesammelten Unterschriften wurden Statements an das Bezirksamt und Liebeserklärungen an die Freebox auf zwei Transparenten festgehalten und am ursprünglichen Standort der Box befestigt.

Auch einige obdachlose Menschen seien dort gewesen, erzählt Oppermann. Viele von ihnen hätten sich bei der Freebox warme Kleidung und Schlafsäcke holen können – rund um die Uhr, das sei eine Besonderheit der öffentlich zugänglichen Tauschbörse gewesen. Ukrainische Geflüchtete aus der nahe gelegenen Unterkunft „Budapester Hof“ hätten das nachbarschaftliche Angebot in den vergangenen Monaten zu schätzen gelernt und sich auch an der Demonstration beteiligt.

Auf dem Paulinenplatz halten immer wieder Menschen im Vorbeigehen inne. Viele sagen, die Box habe den Ort aufgewertet, man habe dort mit der Nachbarschaft ins Gespräch kommen können. Einige nutzen die Box selbst. Auch das provisorische Angebot aus Servierwagen und Postbox wird rege genutzt. Eine Hose findet eine neue Besitzerin, ein Buch und eine Deko-Flasche finden kurze Zeit ihren Weg in die Freebox. Doch vor Wind und Wetter ist die provisorische Box nicht geschützt, auch bietet sie nur einen Bruchteil des Platzes der ursprünglichen Freebox.

Für Christian Oppermann ist daher klar: Die Box muss wieder aufgebaut werden. Am Samstag, den 19. 11. um 12 Uhr wollen die Un­ter­stüt­ze­r:in­nen erneut auf dem Paulinenplatz für den Wiederaufbau der „Freebox“ demonstrieren.

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2 Kommentare

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  • Die Stadtreinigung hat seit Jahren ein Rambo-Problem.



    Mülltonnen werden mitten auf Gehwege gestellt, Radfahrende beim rasanten Überholen gefährdet oder Anwohnende zu Unzeiten unsanft geweckt. Am Hauptbahnhof werden gern die Menschen gleich mitvertrieben. Ich war mal beim Recycling-Hof und habe Bio-Mülltüten geholt. Mir wurde genervt eine Packung in die Hand gedrückt, verbunden mit einem Augen rollenden, patzigen "Wir haben ja sonst nichts zu tun!".

  • An jeder verranzten Karre wird erstmal ein roter Zettel angekleistert, um den Besitzer monatelang im Voraus zu informieren, dass das Ding demnächst aus dem öffentlichen Raum entfernt wird, und mit der Box hat man das nicht geschafft?