piwik no script img

Völkische Plattform in der AfD BerlinFackel statt Flügel

Der AfD-Abgeordnete Thorsten Weiß hat in Berlin offenbar eine Plattform für die völkische Strömung gegründet. Beim ersten Treffen war Höcke zu Gast.

Das „Idearium“-Treffen war wohl eine Neuauflage von 2017, als Höcke in Berlin Flügel-Leute besuchte Foto: imago/Christian Thiel

Berlin taz | Fackeln funktionierten für Faschisten schon immer gut. Man denke an Mussolini, an NS-Fackelzüge oder den Neo-Faschismus von Italiens Wahlsiegerin Giorgia Meloni und ihrer Fratelli d’Italia. Ob das auch der Grund war, warum das „Idearium“ ausgerechnet eine Fackel nebst Schriftzug des Namens vor hellblau-weißem Hintergrund auswählte: unklar.

Der Verdacht scheint jedenfalls nicht ganz abwegig: Der ehemalige Obmann des offiziell aufgelösten rechtsextremen AfD-Flügels Thorsten Weiß hat mit „Idearium“ laut dem eigenen Telegram-Kanal ein „Debatten-Netzwerk“ gegründet. Weiß sitzt für die AfD Berlin im Abgeordnetenhaus und ist bekennender Höcke-Fanboy, sagte einst zum Kopf des damals noch existierenden Flügels, Björn Höcke: „Du bist unser Anführer, dem wir gerne bereit sind zu folgen.“ Faschistische Anklänge vermutlich intendiert. Höcke selbst ist hinlänglich bekannt für seinen Hang zu Geschichtsrevisionismus, antidemokratische und rassistische Propaganda sowie immer offener zu Tage tretender Umsturzrhetorik.

Höcke selbst saß dann beim Auftakttreffen des „Ideariums“ am Abend des 10. Oktobers mit Thorsten Weiß als erster Gast auf dem Podium. Reden sollte er zum „Heißen Herbst“. Es ging aber offenbar auch um das alte Neonazi-Moblisierungsthema Anti-Antifa: Breit grinsend posierten Höcke und Weiß zusammen mit Mitgliedern der Jungen Alternative mit einer offenbar erbeuteten Antifa-Flagge, die mit JA-Stickern beklebt war. Weiß und die JA-Mitglieder halten die Antifa-Flagge auf dem Bild verkehrt herum, so wie es auch Fußball-Ultras oder -Hooligans mit geklauten Fan-Utensilien von rivalisierenden Teams machen.

Die Gründung des Netzwerks erklärt Weiß auf dem neuen Telegram-Kanal mit bisher gut 200 Followern so: „Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen sich Parteien entwickeln – sowohl personell als auch inhaltlich.“ Laut Weiß soll das „Format Idearium“ als „innerparteiliche Plattform“ dienen, „um strategische Fragen zu diskutieren, neuen Ideen Raum zu geben und konstruktive Kräfte in der AfD, die ihre Entwicklung fördern und voranbringen wollen, zusammenzubringen“. So wichtig die „Einheit nach außen“ sei, so notwendig sei „nach innen das offene Wort“, für eine stetige „programmatische und personelle Optimierung“. Teilnahmeberechtigt waren ausschließlich Mitglieder der AfD, wie Weiß zuvor schrieb.

Die üblichen Verdächtigen

Demgegenüber scheint das „Idearium“ vor allem eine neue Berliner Plattform für die üblichen Verdächtigen der völkischen Strömung zu sein. Denn angesichts der weiteren Gäste wirkte es eher wie ein Auffangbecken für ehemalige Flügel-Vertreter*innen oder solche die als Flügel-nah gelten: So waren die Berliner Abgeordneten Jeanette Auricht, Gunnar Lindemann, Hugh Bronson, Harald Laatsch sowie Andreas Wild und Landesschiedsrichter Michael Adam vor Ort.

Ebenso waren JA-Kader wie Annika Leisten und die Brandenburger Landeschefin Birgit Bessin sowie der Landtagsabgeordnete und Compact-Mitarbeiter Lars Günther zu Besuch. Bessin gilt als engere Vertraute des Rechtsextremisten Andreas Kalbitz, der lange Zeit als der mächtigster Strippenzieher des Flügels galt, bis seine Mitgliedschaft jedoch annulliert wurde.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!