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Nachfolge der ÖPNV-Flatrate49-Euro-Ticket ist beschlossen

2023 kommt die bundesweite ÖPNV-Flatrate als Nachfolge des 9-Euro-Tickets. Wann genau, ist aber noch unklar.

Fahrt zur Demo für eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets im August Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Noch ist ungewiss, ob das 49-Euro-Ticket zum 1. Januar oder später kommt. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) geht nicht davon aus, dass dieser Termin zu halten ist.

Der Bund und die 16 Länderchefinnen und -chefs haben am Mittwoch die Einführung eines bundesweit gültigen ÖPNV-Tickets für 49 Euro beschlossen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte als Wunschtermin für die Einführung den 1. Januar 2023 genannt. „Verkehrsunternehmen und -verbünde werden alles daransetzen, diesen Beschluss so schnell wie möglich umzusetzen“, sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. „Allerdings ist klar, dass der 1. Januar nicht zu halten sein wird, da entscheidende Fragen unbeantwortet geblieben sind.“

Das Ticket soll im Abo verkauft werden, aber monatlich kündbar sein. Das stelle die Verkehrsbetriebe vor erhebliche Probleme, sagte Wolff. Denn damit seien Einnahmerisiken verbunden. „Den Unternehmen kann nicht aufgebürdet werden, das von Bund und Ländern beschlossene Ticket umzusetzen und dabei das eigene Unternehmen in eine massive Schieflage zu bringen“, sagte er. Die offenen Fragen würden auch dazu führen, dass das Ticket zunächst nicht überall digital angeboten werden kann.

Bund und Länder standen nach den zuletzt ergebnislosen Verhandlungen im Oktober bei ihrer Konferenz am Mittwoch unter Zugzwang. Nach dem Erfolg des beliebten 9-Euro-Tickets, dass in den Sommermonaten von Millionen Menschen genutzt wurde, haben viele darauf gewartet, dass sich Bund und Länder auf eine Finanzierung für eine Nachfolgeticket einigen. Der Bund hatte zum Schluss doch die sogenannten Regionalisierungsmittel erhöht.

Die Bremer Verkehrssenatorin und derzeitige Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schaefer (Grüne), erklärte, dass das zusätzliche Geld vom Bund ein erstes positives Signal sei: „Jetzt sind die Länder zumindest in der Lage, den Status quo aufrechtzuerhalten.“ Die Länder hatten gedroht, bei ausbleibenden weiteren Bundesmitteln dem Ticket nicht zuzustimmen. Auch viele Umwelt- und Verkehrsverbände werten die Fortsetzung des nun so genannten Deutschlandtickets als Erfolg.

Ob sich der Preis von 49 Euro langfristig hält?

Die Frage ist allerdings, ob der Preis von 49 Euro langfristig gehalten werden kann. Im offiziellen Beschlusspapier der Bundesregierung ist von einem „Einführungspreis“ von 49 Euro die Rede. Der nordrhein-westfälische Landeschef Hendrik Wüst (CDU), der derzeit stellvertretender Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz ist, erklärte, dass der Preis für das Ticket steigen müsste. In NRW würden die Mittel nur der Aufrechterhaltung des Bestands dienen, betonte er. Bundesverkehrsminister Wissing nahm dazu keine klare Position ein. Die Erfahrungen mit dem neuen Ticket sollen 2024 evaluiert werden. Das gelte auch für den Preis, sagte er nur.

In der Diskussion über die Nachfolge des 9-Euro-Ticktes hatten Sozialverbände, Gewerkschaften, Umweltverbände wie Greenpeace bis hin zur Kampagnenorganisation Campact immer wieder günstige Preise angemahnt. Das so etwas möglich ist, zeigt das Land Berlin. Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte bereits im Vorfeld der MinisterpräsidentInnenkonferenz verkündetet, die bereits in der Hauptstadt geltende Nachfolge des 9-Euro-Tickets in Form des 29-Euro-Tickets auch ab dem 1. Januar weiterzuführen. Zudem ist Berlin derzeit Vorreiter für ein Sozialticket für Geringverdiener: Sie bekommen das Ticket für 9 Euro. Beide Fahrkarten gelten allerdings nur in Berlin.

Die Union kritisiert das 49-Euro-Ticket scharf. „Bundesverkehrsminister Wissings große ÖPNV-Tarifreform kostet den Steuerzahler über 3 Milliarden Euro, ohne dass das Angebot verbessert wird“, sagte Thomas Bareiß, verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. In Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte fehlten jetzt Mittel für den Ausbau des ÖPNV-Angebots und für eine bessere Vernetzung von Stadt und Land. Das 49-Euro-Ticket werde für alle Großstädter mit gutem ÖPNV-Angebot zum Schnäppchen, während die über 50 Millionen Bürger:innen, die in kleineren Städten leben, kaum von dem Angebot Gebrauch machen würden.

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1 Kommentar

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  • Die monatliche Kündbarkeit "stelle die Verkehrsbetriebe vor erhebliche Probleme", "damit seien Einnahmerisiken verbunden", wieso?

    Einnahmerisiken entstehen grundsätzlich durch das ungewisse Interesse am Absatz. Gäbe es keine Kündbarkeit, würden vor allem diejenige das Abo buchen, die stets sehr viel mit dem ÖPNV unterwegs sind. Aus Sicht der Kostendeckung lukrativer sind aber diejenigen, die nur gelegentlich der ÖPNV nutzen. Gerade die wollen sich aber nicht für ein ganzes Jahr binden, weil sie noch gar nicht wissen, ob sich eine Ausgabe von 588 Euro lohnen wird.

    Ich kann also nicht sehen, warum es gerade wegen der Kündbarkeit mehr Einnahmerisiken geben sollte.

    Andererseits gibt natürlich auch schlechte Kunden insoweit, als sie im Extremfall 11 Monate lang keine Monatskarte nehmen und in einem Monat zahlreiche möglichst weite Reise nach Sylt, Garmisch und anderswo untermehmen. Die könnte man mit einer Mindestdauer des Abos fernhalten. Es fragt sich freilich, ob das so viel ausmacht. Manche Fahrgäste werden auch bei einem Abo viele Langstreckenfahrten machen. Außerdem ist das dann kein Einnahmenrisiko, sondern ein Problem des höheren Aufwands.

    "Die offenen Fragen würden auch dazu führen, dass das Ticket zunächst nicht überall digital angeboten werden kann" - wozu soll es überhaupt zahlreiche Vertriebskanäle für ein bundesweit gültiges Ticket geben? Bin ich als Berliner daraus angeweisen, dass auch die Stadtwerke Ravensburg das Ticket auf ihrer Webseite anbieten, oder umgekehrt? 2 oder 3 Vertriebe bundesweit, die sich etwas Konkurrenz hinsichtlich der komfortablen Bedienführung machen, reichen völlig aus.