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verwähltDie CDU ist gegen das Wählen ab 16. Das ist Selbstschutz, aber blöd

Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages sagten Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und seine künftige Vize Julia Willie Hamburg (Grüne) noch, sie wollten „eine Politik der ausgestreckten Hand“ gegenüber der CDU betreiben. Als Beispiel nannte Hamburg das Wahlalter 16 – beide Parteien wollen es, für die nötige Verfassungsänderung brauchen sie aber die Stimmen der CDU. Die beeilte sich, die ausgestreckte Hand ganz schnell auszuschlagen.

Das ist einerseits verständlich: Bei den letzten Juniorwahlen hat die CDU nicht gut abgeschnitten, bei der letzten Bundestagswahl bevorzugten die Erstwähler Grüne oder Liberale. Andrerseits scheint es arg kurzsichtig, sich weiter gegen eine Herabsetzung des Wahlalters zu wehren. Am Ende wird es der CDU damit gehen wie mit der Frauenquote: Die Zeit ist reif und sie kapiert es als letzte.

Seit 1995 dürfen Jugendliche in Niedersachsen bei den Kommunalwahlen mitstimmen, seit 2007 bei den nationalen Wahlen in Österreich, ein Drittel der Bundesländer hat das Wahlalter in den vergangenen Jahren abgesenkt – es ist nichts Schlimmes passiert. Nun könnte man sagen, es hat auch nicht viel geändert, aber: Wenn man jemandem ein demokratisches Grundrecht verweigern will, braucht man schon bessere Argumente.

Wer überzeugte Demokraten nachwachsen sehen möchte, tut gut daran, früh anzufangen. Immerhin sind die meisten mit 16 noch in der Schule – egal ob allgemeinbildend oder berufsbildend –, man könnte die erste Wahl also im Politikunterricht begleiten und damit die Grundlage legen für eine fundiertere und informiertere Wahl, als viele Erwachsene sie treffen.

Konservative sprechen an dieser Stelle gern von der erforderlichen Reife, wahlweise auch der Geschäftstüchtigkeit oder Strafmündigkeit, von Rechten und Pflichten. Aber so klar ist das Bild da juristisch gar nicht: Eine Reifeprüfung wäre vielleicht nett, wird aber sonst auch von keinem Wähler verlangt, genauso wenig wie Geschäftstüchtigkeit. Selbst Menschen, die unter gesetzlicher Betreuung stehen, sind in der Regel wahlberechtigt – jedenfalls so lange sie nicht in einem Zustand sind, in dem sie überhaupt nichts mehr selbst regeln können.

16-Jährige dürfen zwar keine Mietverträge unterschreiben, aber von ihrem mickrigen Azubigehalt Rentenversicherungsbeiträge abdrücken, sie dürfen sich motorisiert fortbewegen und müssen sich vor einem Gericht verantworten, wenn sie Scheiße bauen. Sie sind keine unmündigen Kinder mehr, aber noch keine vollständigen Erwachsenen. Das spricht sehr dafür, sie mitreden zu lassen – und die Wählbarkeit trotzdem an die Volljährigkeit geknüpft zu lassen.

Sie sind vor allem diejenigen, die am längsten mit den Folgen der aktuellen politischen Entscheidungen leben müssen. Es ist nur fair, wenn ihre Stimme mehr Gewicht erhält, vor allem angesichts eines demografischen Wandels, der immer mehr ältere Wähler produziert, denen die Zukunft egal sein kann. Dass Jugendliche nie konservativ wählen, ist übrigens ein Gerücht. Bei der U18-Wahl 2017 siegte Merkels CDU mit 28,3 Prozent. Nadine Conti

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