„Tatort“ aus Köln: Veraltete Rollenkonzepte
Die Frau ist das Opfer, der Mann ist der Retter. In „Spur des Blutes“, dem 85. Fall von Ballauf und Schenk bleibt alles Routine.
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Das Kanalwasser fließt scheinbar friedlich durch die Landschaft. Die Kamera folgt dem Wasserlauf zur Quelle am Kölner Stadtrand. Dort, in der Mitte des Sammelbeckens einer Schleuse, treibt die Leiche der 19-jährigen Lara Krohn (Charlotte Lorenzen). In der Nacht arbeitete sie noch als Prostituierte, am Morgen ist sie tot.
Lara Krohn wurde schwer misshandelt, erwürgt und dann in den Kanal geworfen. Die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ermitteln im Mordfall. An der Leiche finden sich mehrere fremde DNA-Spuren, die von tatverdächtigen Freiern stammen.
Um den Fall zu lösen, ist das Ermittlerduo von der Laborauswertung dieser Spuren abhängig. Zuständig dafür ist Kriminaltechnikerin Natalie Förster (Tinka Fürst), doch anstatt zu helfen, behindert sie die Ermittlungen. Eine DNA-Probe konfrontiert sie mit ihrer Vergangenheit. Um der eigenen Sache auf den Grund zu gehen, verschleppt sie die Ermittlungen gezielt. Denn ohne dramatische Backgroundgeschichte kein Tatort.
Frauen kommen hier ohne den positiven Einfluss von Vaterfiguren nicht weit. Das Gelingen ihrer Vorhaben hängt von der Gut- oder Böswilligkeit männlicher Autoritätsfiguren ab. So auch die Prostituierten Kim (Greta Bohacek) und Lara. Sie gehen auf den Strich, weil sie drogensüchtig sind, und träumen von einem besseren Leben.
Routinierte Kommissare
Dass dies nicht gelingt, liegt auch an ihrem Zuhälter Mike (Robert Stadlober). Über kalkuliert portionierte Zuneigung hält er die verunsicherte Kim nach Laras Tod gefügig. Zwar sagt sie schlussendlich gegen ihn aus, eine selbstbestimmte Gewissensentscheidung ist dies aber nicht.
Die Kontrastfolie zum bösen, autoritären Führungsstil Mikes ist das Ermittlerduo Ballauf und Schenk. In ihrem mittlerweile fünfundachtzigsten Fall ist alles Routine. Nur mit dem launischen Temperament, das Natalie Förster auf einmal an den Tag legt, sind sie überfragt. Dass diese dabei auch ihre beruflichen Aufgaben vernachlässigt, moderieren sie liebevoll weg. Trotz der durch sie verursachten Ermittlungsverzögerungen schaffen sie es rechtzeitig zur Stelle zu sein und der in Not geratenen überforderten Kriminaltechnikerin beizustehen.
Das Narrativ des männlichen Retters und der Frau als Opfer ist überholt und langweilt. Die sehr gute schauspielerische Leistung des Casts macht das zwar nicht wett, aber holt zumindest das Beste aus den veralteten Rollenkonzepten heraus.
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