Rishi Sunak ist neuer Premierminister: Er verspricht schwere Zeiten
Großbritanniens neuer Premier will die „Fehler korrigieren“, die seine Vorgängerin Liz Truss gemacht habe. Die lobt sich indes selbst.
Das eingetrübte Wetter passte zum Image kommender schwerer Zeiten, das Rishi Sunak verbreitete, als er vor seinem neuen Amtssitz 10 Downing Street gegen Mittag seine erste Ansprache als Premierminister hielt. Aus der „tiefgreifenden wirtschaftlichen Herausforderung“, die Sunak am Montag bei seiner ersten Rede als neuer Tory-Chef erkannt hatte, wurde da schon eine „tiefgreifende wirtschaftliche Krise“. Der neue Premier würdigte seine Vorgängerin, deren „nobles Ziel“ von mehr Wachstum richtig gewesen sei und deren „Rastlosigkeit“ er im schönsten englischen Understatement „bewundernswert“ nannte. „Aber es wurden einige Fehler gemacht“, fügte er an. „Ich bin dafür gewählt worden, sie zu korrigieren, und diese Arbeit beginnt unverzüglich.“
Das bedeute „schwierige Entscheidungen“. Aber er habe während der Covid-19-Pandemie – damals entwarf Sunak als Finanzminister umfangreiche Unterstützungsprogramme – bewiesen, dass er mit „Mitgefühl“ regiere. Das werde er auch jetzt tun. „Wir werden eine Zukunft bauen, die der Opfer würdig ist, die so viele gebracht haben“, versprach er. „Ich werde unser Land vereinen, nicht mit Worten sondern mit Taten.“
Als erstes begann Sunak mit der Zusammensetzung seines Kabinetts, geprägt von der Notwendigkeit, nichts falsch zu machen und möglichst wenige Parteikollegen zu ärgern. Regierungsumbildungen in London sind ein Spießrutenlaufen: Alle Betroffenen werden einzeln nach 10 Downing Street einbestellt und gehen vor laufenden Kameras durch die schwarze Tür, möglichst ohne etwas zu verraten, was gehobene Schauspielerkünste erfordert.
Truss lobte sich selbst
Jeremy Hunt, der zuletzt von Truss zur Absage ihres eigenen Wirtschaftsprogramms berufene Finanzminister, wurde als erster auf seinem Posten bestätigt, später auch Außenminister James Cleverly, ein Johnson- und Truss-Unterstützer, und der allseits respektierte Verteidigungsminister Ben Wallace.
Skepsis gegenüber seiner bisher nicht erkennbaren Außenpolitik hatte Sunak in seiner Rede mit den Worten zu zerstreuen versucht, der „schreckliche Krieg“ – in der Ukraine, was er nicht sagte – „muss erfolgreich zum Abschluss gebracht werden“, was als Bekenntnis zu einem Sieg der Ukraine verstanden werden darf.
Dominic Raab, vom rechten Flügel, kehrte auf sein altes Amt unter Boris Johnson zurück: Justizminister und Vizepremier. Weitere Ernennungen ließen am späten Nachmittag noch auf sich warten.
Liz Truss hatte vor ihrem eigenen formalen Rücktritt eine letzte Rede vor der schwarzen Tür von 10 Downing Street gehalten, voller Selbstlob und Mahnungen an ihren Nachfolger. „In einem nur kurzen Zeitraum hat diese Regierung mit Dringlichkeit und entschlossen zugunsten hart arbeitender Familien und Unternehmen gehandelt“, sagte die scheidende Regierungschefin: „Nach meiner Zeit als Premierministerin bin ich überzeugter denn je, dass wir mutig handeln und den Herausforderungen vor uns ins Auge sehen müssen.“ Das bedeute, Steuern zu senken, die Ukraine zu unterstützten und die Landesverteidigung zu stärken, „den demokratischen Institutionen Macht zurückzugeben“ und die Chancen des Brexit für mehr Freiheiten zu ergreifen.
Es waren lauter erhobene Zeigefinger für den neuen Premierminister, den der rechte Tory-Flügel um Truss jetzt verdächtigt, Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen, Unterordnung unter die Finanzmärkte und Absage an Deregulierung zu verfolgen. „Ich weiß, dass bessere Tage kommen“, sagte Truss, lächelte fröhlich und verschwand in ihrem Dienstwagen zur Fahrt zum König.
Liz Truss brach während ihrer Abschiedsrede immer wieder in den Ansatz eines amüsierten Lächeln aus – ihr Markenzeichen, das jetzt den Eindruck vermittelte, sie merke nicht, was los sei. Rishi Sunak lächelte bei seiner Antrittsrede kein einziges Mal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen