Immobilienspekulation: Profitabler Abriss

In Berlin-Mitte müssen zwei Bürogebäude weichen, um Platz für ein neues Bürogebäude zu machen. Bei Abriss und Neubau haben die Eigentümer freie Hand.

Ein halb abgerissenes Bürogebäude

Ebenso wie die Markgrafenstraße 11 – 14 f wurde auch die Zentrale der Berlin Hyp AG abgerissen Foto: dpa

BERLIN taz | Der Schutthaufen, auf dem die Bagger Geröll umherschieben, lässt kaum noch etwas von den Gebäuden erahnen, die hier einmal standen: Ein in den 70er Jahren errichtetes Bürogebäude und ein im Jugendstil errichteter Seitenflügel – beide noch voll funktionsfähig – mussten auf dem Grundstück in der Markgrafenstraße 11–14 in Kreuzberg dem Neubauprojekt „The Charles“ weichen, den die Frankfurter Norsk AG an dieser Stelle errichten will.

„Das ist ein reiner Spekulationsbau“, kritisiert Gabriela Sarges. Sie ist Mitglied der Nachbarschaftsinitiative LiMa-Wohnhof, eines Gebäudekomplexes, das direkt an die Baustelle angrenzt. In einem Protestschreiben an den Investor vom August bezeichnet die Initiative das Bauprojekt als „Zerstörung von Stadtgeschichte“. Besonders schmerzhaft sei der Abriss des Seitenflügels, eines der wenigen Gebäude der Südlichen Friedrichstadt, die den Krieg überlebt hätten, schreiben die Mitglieder der Initiative.

Das straßenseitige Bürogebäude war nicht weniger geschichtsträchtig. Die traditionsreiche Berlinische Lebensversicherung hatte hier seit Ende des 19. Jahrhunderts ihren Sitz. Nach der flächendeckenden Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde der Firmensitz an derselben Stelle wiederaufgebaut. Der Bau überdauerte den Versicherer, der seit den 90er Jahren mehrmals den Besitzer wechselte und nun Teil der luxemburgischen Athora Gruppe ist. Die hatte für den alten Firmensitz keine Verwendung und vermietete die Büros an Vereine und kleine Unternehmen, die das Gebäude vor allem wegen ihrer günstigen Mieten zu schätzen wussten. „Der Abriss brachte viele Mieter in eine ungünstige Lage“, berichtet eine Mitarbeiterin der Berliner Sektion des Deutschen Alpenvereins der taz. Der Verein war bis kurz vor Beginn der Abrissarbeiten im Juni im Gebäude ansässig und sah sich dadurch gezwungen, deutlich teurere Vereinsräume zu suchen.

Die neue Eigentümerin, das Frankfurter Immobilienunternehmen Norsk AG, an die Athora das Grundstück verkaufte, hat für die historische Bausubstanz und günstige Mietverträge offenbar nur wenig übrig. „Ein wirtschaftlicher Betrieb des bestehenden Gebäudekomplexes“ sei nicht möglich gewesen, so ein Sprecher des Unternehmens auf taz-Nachfrage. Norsk begründet den Abriss unter anderem mit dem unvorteilhaften Grundriss und der mangelnden Energieeffizienz des Altgebäudes. Den Neubau lässt sich das Unternehmen hingegen voraussichtlich 200 Millionen Euro kosten; 15.000 Quadratmeter Bürofläche sollen an selber Stelle entstehen, die nun deutlich teurer vermietet werden können.

Keine Vorgaben für Gewerbebauten

Ob Abriss und Neubau in diesem Fall tatsächlich nachhaltiger sind als eine Sanierung, ist fraglich. In einem Positionspapier der Umwelt-Initiative Architects for Future von vergangenem Juli heißt es: „Unter Betrachtung des Energieaufwands und der Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes sind Sanierungen im Vergleich zu Abriss und Neubau fast ausnahmslos zu bevorzugen.“

Das Norsk Gebäude trotz Klimakrise und Mietexplosion abreißen konnte, liegt vor allem an fehlender gesetzlicher Regulierung. „Sosehr das Stadtplanungsamt die Einschätzung teilt, vorhandene Bausubstanz aus Nachhaltigkeitsgründen zu erhalten, so haben wir bei der Beurteilung von Bauvorhaben diesbezüglich aus fachlicher Sicht keine Handhabe“, heißt es aus der Verwaltung des zuständigen Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg.

In der Berliner Bauordnung gebe es schlichtweg keinerlei Vorgaben, die den Abriss von Bürogebäuden regeln würde – Ei­gen­tü­me­r:in­nen hätten freie Hand, sofern das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, so eine Sprecherin der Verwaltung gegenüber der taz.

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