Straßenumbenennung in Bremen: Straße ohne Kriegsverherrlichung
Vor 85 Jahren wurde die Bremer Langemarckstraße von den Nazis nach einem militaristischen Mythos benannt. Nun will eine Initiative den Namen ändern.
Dass Nationalsozialist*innen keine geeigneten Namensgeber*innen für Straßen sind, darin sind sich inzwischen viele in Bremen einig: So verlor im vergangenen Jahr die Hinrich-Wriede-Straße ihren bisherigen Namen – Wriede war überzeugter Nazi. Und wenn es nach der Bremer Georg-Elser-Initiative geht, soll nun eine weitere Straße, deren Name eine Nazivergangenheit anhaftet, umbenannt werden.
Die Langemarckstraße ist eine der zentralen Straßen, die von der Bremer Neustadt ins Stadtzentrum führen. Im November 1937 benannten die Nazis sie nach Langemarck um. Der Grund: Langemarck ist ein Ort in Belgien, an dem im Ersten Weltkrieg verlustreiche Kämpfe stattfanden, bei denen besonders viele junge Menschen ums Leben kamen.
Diese Schlacht wurde im Nachhinein durch die Nazis glorifiziert. Besonders junge Menschen sollten durch den sogenannten „Langemarck-Mythos“ für den Krieg begeistert und davon überzeugt werden, sich freiwillig für ihr Vaterland zu opfern.
Laut Jürgen Maly von der Georg-Elser-Initiative hatte es vor 20 Jahren bereits einen Versuch gegeben, die Straße umzubenennen – ohne Erfolg. Der Versuch endete in einem Kompromiss: Es sollte eine Tafel aufgestellt werden, die über den kriegsverherrlichenden Mythos von Langemarck aufklärte.
Russische Kriegspropaganda als Grund für neuen Anlauf
Grund für den neuen Anlauf ist laut Maly der Krieg in der Ukraine und die russische Propaganda, mit der der Krieg gerechtfertigt werde. „Mit der Behauptung, es seien alles Nazis in der Ukraine, wird argumentiert, dass eine sogenannte Spezialoperation durchgeführt werden müsse, um das Land zu befreien“, sagt er. Es werde deutlich, dass kriegsverherrlichende Mythen nicht geduldet werden dürfen.
Ingo Mose, grüner Beiratssprecher des Beirats Neustadt, steht bereits in Kontakt mit der Initiative. Der Beirat kann sich für eine Umbenennung der Straße aussprechen. Anschließend braucht es ein geschichtswissenschaftliches Gutachten, ehe der Bremer Senat eine Umbenennung beschließen kann.
Mose hat große Sympathie für den Vorschlag der Initiative: „Ich finde das eine tolle Idee.“ Natürlich solle der Name Langemarck nicht vergessen werden und eine Mahnung dafür bleiben, wie viele junge Leute in den Krieg geschickt wurden. „Aber dafür muss die Straße nicht so heißen.“ Dafür gebe es den Denkort, ein ehemaliges Denkmal für die Langemarck-Schlacht, das im vergangenen Jahr zu einem Friedensdenkmal umgewandelt wurde.
Um die Anwohner*innen über die geplante Umbenennung zu informieren und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, hatte die Initiative im Gebiet der Langemarckstraße kürzlich knapp 8.000 Informationsbroschüren verteilt. Darauf hat die Initiative auch schon Rückmeldungen erhalten: „Die Reaktionen reichen von absoluter Zustimmung und Menschen, die spenden und Mitglieder werden wollen, bis hin zu beleidigenden E-Mails“, sagt Maly.
Erinnerung an Georg Elser
Geht es nach der Initiative heißt die Langemarckstraße künftig Georg-Elser-Allee. Die Initiative hat es sich seit 1998 zur Aufgabe gesetzt, die Erinnerung an den Hitler-Attentäter wachzuhalten, der 1939 im Münchener Bürgerbräukeller eine Bombe zündete. Adolf Hitler entkam dem Attentat nur knapp, weil er den Ort entgegen der Planung wenige Minuten früher verließ.
Auch bleibt Maly bei dem Argument, durch eine Straßenumbenennung würde die Geschichte in Vergessenheit geraten, gelassen. „Ich möchte lieber positiv an Georg Elser erinnern, eine Person, die Mut und Zivilcourage gezeigt hat, als an Kriegsverherrlichung“, sagt er. Zudem werde die Benennung nach Langemarck nicht vergessen: Die Informationstafel soll bestehen bleiben, eine weitere über Georg Elser hinzukommen.
Eine Hürde auf dem Weg zur Umbenennung könnten die Anwohner*innen werden, die sich über Schwierigkeiten durch eine Straßenumbenennung beschweren. Um potenziell entstehende Kosten durch Änderungen von Briefbögen, das Informieren der Krankenkassen oder ähnliches abzudecken, habe die Initiative laut Maly allerdings bereits Spenden gesammelt, mithilfe derer diese Kosten erstattet werden sollen.
Vergangene Woche hatte die Georg-Elser-Initiative ihren Antrag beim Beirat eingereicht, Mitte Oktober soll er dort besprochen werden. Dort rechnet die Initiative mit Zustimmung: Beiratsmitglieder der Linken, der SPD, der Grünen und der CDU hätten sich dem Vorhaben gegenüber schon positiv geäußert.
Mit der Umbenennung der Langemarckstraße wäre Bremen nicht die erste Stadt: Im vergangenen Jahr wurde in Augsburg eine Langemarckstraße umbenannt, in Erlangen fordert die Klimaliste im Stadtrat die Umbenennung des örtlichen Langemarckplatzes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos