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Nachrichten in der CoronakriseLong-Covid-Risiko für Frauen höher

17 Millionen Menschen in Europa leiden unter Long-Covid-Symptomen, darunter häufig Frauen. Bei der Maskenpflicht im ÖPNV wollen die Länder einheitliche Regelungen.

Die Maskenpflicht soll bleiben Foto: Sabine Brose/imago

17 Millionen Menschen in Europa mit Long-Covid-Symptomen

Geschätzt mindestens 17 Millionen Menschen in Europa waren einer für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführten Analyse zufolge in den ersten beiden Jahren der Pandemie von Long-Covid-Symptomen betroffen. Für die Modellrechnung hatte die Universität Washington Fälle in den 53 europäischen Mitgliedsstaaten ausgewertet, wie das in Kopenhagen ansässige Europa-Büro der WHO am Dienstag mitteilte. Als Kriterium galt eine Symptomdauer von mindestens drei Monaten in den Jahren 2020 und/oder 2021.

Die Untersuchung deute darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, an Long Covid zu erkranken, bei Frauen doppelt so hoch ist wie bei Männern, teilte die WHO weiter mit. Außerdem steige das Long-Covid-Risiko nach einer schweren Corona-Infektion, zu deren Behandlung ein Krankenhausaufenthalt erforderlich war, drastisch. Der Modellrechnung zufolge habe eine von drei betroffenen Frauen und einer von fünf betroffenen Männern nach einem so schweren Verlauf mit Symptomen von Long Covid zu kämpfen.

„Wir müssen zwar noch viel über Long Covid lernen“, sagte der Direktor der WHO-Region Europa, Hans Kluge, während einer WHO-Tagung in Tel Aviv. „Aber diese Daten machen deutlich, dass wir dringend mehr Analysen, mehr Investitionen, mehr Unterstützung und mehr Solidarität mit den Betroffenen brauchen.“ Millionen Menschen litten in den Monaten nach einer Corona-Infektion unter schwächenden Symptomen. „Sie dürfen nicht weiter im Stillen leiden. Regierungen und Gesundheitspartner müssen zusammenarbeiten, um Lösungen auf der Grundlage von Forschung und Nachweisen zu finden.“

Weltweit waren der Untersuchung zufolge geschätzt rund 145 Millionen Menschen in den ersten zwei Jahren der Pandemie von Long-Covid-Symptomen betroffen. (dpa)

Lauterbach begrüßt angepassten Corona-Impfstoff

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Zulassung eines weiteren, an aktuelle Virus-Varianten angepassten Corona-Impfstoffes begrüßt. „Nach der Entscheidung der Europäischen Zulassungsbehörde haben wir jetzt mehrere hervorragend wirksame Impfstoffe, um die Herbstwelle zu bekämpfen“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag am Rande eines Besuchs in Tel Aviv. „Sowohl der BA.1- wie der BA.5-Impfstoff sind dafür geeignet.“

Jetzt könnten die Impfstoffe auch in Deutschland eingesetzt werden, so Lauterbach. Dafür gelte bereits die aktuelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Ende der Woche werde die Stiko erneut darüber beraten.

Die Europäische Kommission hatte am Montag einen weiteren Impfstoff der Hersteller Biontech und Pfizer zugelassen, der an die Omikron-Unterlinien BA.4 und BA.5 angepasst ist. Empfohlen werde die Impfung für Menschen ab 12 Jahren als Auffrischung, teilte die EU-Arzneimittelbehörde EMA mit. Ein neuer Impfstoff, der an die Variante BA.1 angepasst ist, hatte kürzlich die Zulassung bekommen.

BA.4/BA.5 sind die Omikron-Sublinien, die derzeit nach Daten aus Stichproben praktisch alle Infektionen in Deutschland verursachen. (dpa)

Maskenpflicht in ÖPNV soll bleiben

Die Gesundheitsminister der Länder wollen derweil im Herbst an der geltenden Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) festhalten. Das sagte eine Sprecherin des sachsen-anhaltischen Gesundheitsministeriums der Deutschen Presse-Agentur am Montag nach einer Schalte der Ressortchefs der Länder. Sachsen-Anhalt hat derzeit den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz.

Alle Länder behielten die Maskenpflicht im ÖPNV wohl bei, sagte die Sprecherin. Dies sei ein Ergebnis der Beratungen zum Infektionsschutzgesetz. Die Länder seien an einer einheitlichen Umsetzung interessiert.

Der Bundestag hatte in der vergangenen Woche Neuregelungen im Infektionsschutzgesetz beschlossen. Rechtsgrundlagen für die noch verbliebenen Coronamaßnahmen wären sonst ausgelaufen. Bundesweit vorgeschrieben sind ab dem 1. Oktober beispielsweise Maskenpflichten in Fernzügen, Kliniken und Arztpraxen. Die Länder können in Eigenregie auch in anderen Innenräumen wieder Masken-Vorgaben ergreifen.

Außerdem haben die Gesundheitsminister am Montag über die Abrechnung von Coronatests beraten. Der Bund solle die Testverordnung überarbeiten und klarstellen, wer für die Abrechnungsprüfungen zuständig sei, sagte die Sprecherin.

Bundesweite Inzidenz bei 229,9

Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Dienstagmorgen mit 229,9 an. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 5 Uhr wiedergeben. Am Vortag hatte der Wert der Coronaneuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche bei 216,2 gelegen (Vorwoche: 219,1; Vormonat: 342,2).

Allerdings liefern diese Angaben nur ein sehr unvollständiges Bild der Infektionszahlen. Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus – vor allem, weil bei Weitem nicht alle Infizierte einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik. Zudem können Nachmeldungen oder Übermittlungsprobleme zu einer Verzerrung einzelner Tageswerte führen.

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 54.930 Coronaneuinfektionen (Vorwoche: 49.709) und 90 Todesfälle (Vorwoche: 99) innerhalb eines Tages. Vergleiche der Daten sind auch hier wegen des Testverhaltens, Nachmeldungen oder Übermittlungsproblemen nur eingeschränkt möglich. Generell schwankt die Zahl der registrierten Neuinfektionen und Todesfälle deutlich von Wochentag zu Wochentag, da insbesondere am Wochenende viele Bundesländer nicht ans RKI übermitteln und ihre Fälle im Wochenverlauf nachmelden.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 32.507.180 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.

Lebenslängliches Urteil für Mord durch Maskengegner

Im Prozess um den tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter im Streit um die Corona-Maskenpflicht ist der Angeklagte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Bad Kreuznach wertete in seinem Urteil am Dienstag die Tat als Mord und folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Anders als von Staatsanwaltschaft und der Nebenklage gefordert, stellte die Schwurgerichtskammer aber keine besondere Schwere der Schuld fest. In diesem Fall wäre eine Haftentlassung des heute 50-Jährigen nach 15 Jahren im Gefängnis rechtlich zwar möglich gewesen, aber in der Praxis so gut wie ausgeschlossen.

Die Verteidigung hatte den Tatvorwurf des Mordes zurückgewiesen. Die beiden Anwälte des Deutschen hatten auf Totschlag mit erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten plädiert, der nach Schätzung eines Gutachters zum Zeitpunkt des Schusses rund zwei Promille Alkohol im Blut hatte. Die Tat am 18. September 2021 an einer Tankstelle im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt.

Die Frage nach der Täterschaft hatte bei der sechsmonatigen Verhandlung keine große Rolle gespielt, da sie von Anfang an unstrittig war. Der Angeklagte hatte gestanden, aus Wut darüber, dass der junge Kassierer ihm ohne Coronamaske kein Bier verkaufen wollte, sich zu Hause eine Waffe geholt und bei einem erneuten Besuch in der Tankstelle abgedrückt zu haben. Zudem gab es Videoaufnahmen von der Tat.

Für den Revolver hatte er keinen Waffenschein. Deswegen wurde er auch wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt. Die Mutter des 20 Jahre alten Opfers hatte als Nebenklägerin an dem Prozess teilgenommen.

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11 Kommentare

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  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Eine Häufung unspezifischer Symptome (Sydrom) ist kein Ausschlusskriterium dafür, das Auftreten der oder eines Teils der Krankheitszeichen der Auslösung durch eine Infektion zuzuordnen. "Das Fass ist übergelaufen."

  • Häufig ist die Antwort auf ein Problem so naheliegend, daß niemand darauf kommt, weil sie einfach nicht kompliziert genug ist.

    1. Eine riesige Anzahl an Infektionen bleibt unbemerkt oder verläuft so mild, daß sie nicht beachtet werden.

    2. Long-Covid ist nicht oder nur sehr geringfügig abhängig vom akuten Schweregrad einer Infektion.

    3. Überwiegend sind es Frauen, die die täglichen Einkäufe erledigen und sich dann zwangsläufig auch regelmäßig ins Gedränge in Supermärkten und in Bussen begeben.

    So betrachtet könnte der Umstand, daß Frauen doppelt so häufig von Long-Covid betroffen sind, auch an den o.g. drei Punkten liegen und nicht an den weiblichen Genen usw.

    • @wxyz:

      Zu 1: Zumindest in den untersuchten Jahren 2020 und 2021 ist noch verhältnismäßig häufig getestet worden - da standen die Tests auch teils noch kostenfrei zur Verfügung. Von den mir bekannten 14 Infektionsfällen sind 4 nur durch die Tests aufgefallen - die waren tatsächlich symptomlos.

      Zu 2: Von den mir bekannten 14 Fällen hat es 2 Mal denselben Mann erwischt, beide Male sehr schwer. Nach dem ersten Mal kam er schon kaum wieder auf die Füße. Nach dem zweiten Mal ging nix mehr. Er laboriert jetzt schon seit über einem Jahr an Long Covid - kein Ende in Sicht. (Die anderen 8 Fälle mit Symptomen waren eher Grippe-ähnlich.) Insofern bestätigt dieser Mann also die Korrelation zwischen Schwere des Verlaufs und Long Covid.

      Zu 3: Der Bericht spricht eindeutig von betroffenen, d.h. tatsächlich infizierten Frauen und Männern mit schwerem Verlauf:



      "eine von drei betroffenen Frauen und einer von fünf betroffenen Männern"



      Es besteht also keinerlei Zusammenhang mit dem Lebenswandel der betroffenen Personen - es wurden ja nur diejenigen gezählt, die tatsächlich infiziert waren - die Studie hat also nichts mit der Infektionswahrscheinlichkeit zu tun. Aber warum nicht mal wieder irgendwelche Klischees ausgraben ...

  • Differencia specifica?


    Wie umstritten das Long-Covid-Syndrom in der Scientific Community ist, belegt auch eine im „Jama“ publizierte französische Befragungsstudie mit 27 000 Teilnehmern mit dem Fazit, einzig die Beeinträchtigung des Geruchssinnes sei eindeutig Covid zuordbar. Alle übrigen etwa 250 Symptome erlaubten als zu unspezifisch keine zweifelsfrei monokausale klinische Zuordnung.

    Die Hypothesen über Covid-bedingte Langzeiteffekte beruhen dann wohl auch eher auf extrapolierten Analogieschlüssen, wohingegen sie bei anderen Infektionskrankheiten gut erforscht sind:

    Bei Influenza sind das Lungen-, Herzmuskel- oder Gehirnentzündungen, Herzrhythmusstörungen, Herzschwächen oder Kreislaufschocks.

    Bei Windpocken sind das Lungen- und Hirnentzündungen und Gürtelrose.

    Bei Scharlach sind das rheumatisches Fieber mit Entzündungen an Kniegelenken, Herzen und Nieren mit häufig bleibenden Schäden.

    Bei Masern sind das Hirnentzündung und teils dauerhafte bis tödliche Nervenschädigung, Lungen- und Mittelohrentzündungen und Bronchitis. Die unheilbare Hirnentzündung kann sich noch Jahre nach der Masern-Erkrankung einstellen.

    Wie zu sehen, sind mögliche schwere Langzeitfolgen nach einer Virus-Infektion keine Besonderheit von Covid. (Vgl.„Langzeitfolgen von Infektionskrankheiten“, SEBASTIAN FISCHER, DPA, 03.02.2021)

    Wie auch immer, das Langzeitfolgen-Argument taugt als Notwendigkeitsbegründung für drastische Containment-NPIs oder gar eine Impfpflicht für Mann und Maus noch weniger, als es in Bezug auf Influenza, Masern, Scharlach, Windpocken usw. taugte. Allerdings ist man auch noch nicht auf die Idee gekommen, bei diesen klassischen Infektionskrankheiten ein solches Dauer-Tamtam zu veranstalten...

    • @Reinhardt Gutsche:

      Ein Syndrom ist gerade dadurch charakterisiert, dass bestimmte Symptome häufig gemeinsam auftreten - in vielen Fällen, noch ohne dass man eine gemeinsame Ursache kennt.

      Wenn man nur auf die Häufigkeit von Einzelsymptomen schaut, ist das methodisch schlicht falsch, insbesondere bei Einzelsymptomen, die entweder häufig sind (z.B. Kopfschmerzen) oder schwer fassbar (Erschöpfung).

      • @jox:

        Nur an Mäusen getestet?

        Zitat: „Lauterbach begrüßt angepassten Corona-Impfstoff.“

        Dazu die „Financial Times“: „Mehrere Gesundheitsexperten wiesen darauf hin, dass die Auffrischungsimpfungen nur begrenzte Daten aus einer kleinen Anzahl von Tests an Mäusen erbracht haben. Sie sagten, es gebe keine Beweise dafür, dass sie einen besseren Schutz gegen Infektionen oder schwere Krankheiten bieten als die bisherigen Impfungen.“ („FT v. 12.9.22) Auch „Die Welt“ ist entsetzt: „US-Gesundheitsbehörde ließ sich von acht Labormäusen überzeugen“ (13. 9. 22)

        • @Reinhardt Gutsche:

          Falsch platziert, War keine Replik auf @JOX, sondern auf den Artikel als ganzen. Sorry.

      • @jox:

        Methodiken

        Zitat @jox: „Wenn man nur auf die Häufigkeit von Einzelsymptomen schaut, ist das methodisch schlicht falsch.“

        Was wäre in unserem Falle dann das methodisch einzig Richtige, und was käme dann dabei heraus?

  • Das Risiko ist für Frauen nicht höher, sie spielen lediglich häufiger die Betroffenen

  • Natürlich bleibt die Maskenpflicht im ÖPNV, solange Politiker den nicht nutzen...



    Und genau deshalb fällt die Maskenpflicht im Flugzeug.



    Laaaangweilig

  • Lebenslängliches Urteil für Mord durch Maskengegner...

    Ein weiterer Fall von systematischer Verzerrung der Polizei-Statistik.

    "So offensichtlich politisch rechts der verurteilte Mord auch war, so wird dieser in der BKA-Statistik zu Politisch motivierter Kriminalität NICHT als rechtsextreme Gewalttat aufgeführt."

    www.volksverpetzer...oerder-lebenslang/