Thriller „Don't Worry, Darling“ im Kino: Männer, die von Hausfrauen träumen
Der Spielfilm von Olivia Wilde kreiert ein 1950er-Jahre-Idyll. Es geht um Unterdrückung von Frauen durch reaktionäre Kräfte.
Es ist, als würde an diesem Ort immerzu die Sonne scheinen: Umgeben von gewaltigen Palmen liegt ein Schmuckstück von einer Kleinstadt, irgendwo in der kalifornischen Wüste. Ein schmuckes Heim reiht sich an den nächsten todschicken Bungalow. Jedes Haus ist von einem penibel gepflegten Vorgarten umgeben, auf jedem Grundstück parkt eine mit nicht weniger Sorgfalt polierte Corvette.
Helle Farben, insbesondere sanfte Pastelltöne dominieren nicht nur das Stadtbild, sondern auch das Innenleben der Domizile. In ihnen spielen sich Leben ab, die an die Welt der Serie „Mad Men“ erinnern. Die gut frisierten Damen tragen neben perfektem Make-up stets adrette Cocktailkleidchen und kümmern sich um den Haushalt, während ihre in elegante Anzüge gekleideten Ehemänner jeden Morgen in Reih und Glied zur Arbeit fahren.
Jack Chambers (Harry Styles) und die von Florence Pugh mit einer Intensität, die an ihre Darbietung in „Midsommar“ erinnert, verkörperte Alice sind eins der jungen Ehepaare, die sich im sogenannten Victory Project ein Bilderbuchdasein im Stile der 50er Jahre eingerichtet haben. Als besonders verliebtes, ständig übereinander herfallendes, kinderloses Pärchen sind sie die gutaussehenden Lieblinge ihrer Straße.
Durch sie, vor allem aber durch Alices Augen wagt die auch als Schauspielerin bekannte Olivia Wilde in ihrer zweiten abendfüllenden Regiearbeit eine Rückkehr in die „gute alte Zeit“. Eine, die so gut natürlich niemals war. Insbesondere für Frauen, für die sie nicht mehr vorgesehen hatte als die Rolle der treusorgenden Gattin und Mutter. In die sich Ewiggestrige aber zurückzusehnen scheinen, wenn sie Feminismus als Projekt zur Unterdrückung der Männer verteufeln, oder sich „klare“ Rollenverhältnisse wünschen, in denen sich die Frau in erster Linie um den Nachwuchs kümmert, während der Mann als Familienoberhaupt das Geld nach Hause bringt.
Heile Welt als Fassade
Als packender Psychothriller angelegt, macht „Don’t Worry, Darling“ bald klar, dass die heile Welt nur Fassade ist. Darum, was genau sie verhüllt, baut das Drehbuch von Katie Silberman, die bereits für „Booksmart“ mit Wilde zusammenarbeitete, lange ein Geheimnis auf und begleitet Protagonistin Alice zunächst in ihrem von einer seltsamen Ideologie durchdrungenen Alltag – an dem sie aber dennoch Gefallen zu finden scheint.
„Don’t Worry, Darling“. Regie: Olivia Wilde. Mit Florence Pugh, Harry Styles u. a. USA 2022, 123 Min.
Gemeinsam mit ihren Freundinnen Bunny (gespielt von Wilde) und Peg (Kate Berlant) geht sie wahlweise auf ausgiebige Shoppingtouren oder zum Balletttraining, in dem Kursleiterin und Alpha-Ehefrau Shelley (Gemma Chan) ihre Teilnehmerinnen wiederholt mit einem ominösen Mantra konfrontiert, wonach in der Kontrolle die Schönheit sowie in der Symmetrie die Anmut liege, und sie so auf Einheit einschwört.
Ihr Ehemann Frank (Chris Pine) ist Geschäftsführer des Victory Projects und wartet mit ähnlich kryptischen Losungen wie „Chaos ist der Feind des Fortschritts“ auf. Sie unterstreichen sein Auftreten als eine Art charmanten Sektenführer, zu dem sowohl die weiblichen als auch die männlichen Bewohner der Gemeinde aufsehen, dem sie imponieren und gefallen wollen.
Zu viele Einfälle zugleich
Obwohl dieses Vorspiel zur Einführung in die skurrile Welt von „Don’t Worry, Darling“ etwas zu lange dauert und ab einem bestimmten Punkt repetitiv wirkt, kreiert Kameramann Matthew Libatique („Mother!“) doch immer wieder attraktive Bilder, um sie darzustellen. Mehrmals formieren sich Frauen in synchronen Bewegungen zu einer großen Iris, was nicht nur früh darauf verweist, dass nicht alles, was das Auge sieht, auch Realität sein muss, sondern sich in Retrospektive auch als ein klug platzierter Verweis auf den späten plot twist herausstellt.
Während Szenen wie diese in der visuellen Erzählweise des Films positiv hervorstechen, werden einfache Dialogsequenzen oftmals mit der gleichzeitigen Umsetzung zu vieler Einfälle belastet. Rasante Schnitte und Schwenks, auffallend häufige Wechsel zwischen Einstellungsgrößen und Perspektiven lenken mitunter vom Gesprochenen ab und erschweren zunächst ein echtes Eintauchen in den Film.
Der Erzeugung einer dichten Atmosphäre dienlicher ist die stimmige akustische Untermalung, in der Komponist John Powell zeittypische Gute-Laune-Hits mit einem düsteren bis schrillen Klangteppich kontrastiert, der den bevorstehenden Schrecken heraufzubeschwören scheint.
Erforschung „fortschrittlicher Materialien“
Dieser zieht endgültig ein, als Alice die goldene Regel der Gemeinde bricht: Sie verlässt die für Frauen zugelassenen Wege und nähert sich dem Hauptquartier des Projekts, von dem nur die Ehemänner wissen, was darin vor sich geht. Von ihren Gattinnen auf ihren genauen Arbeitsalltag angesprochen, lautet die Antwort lediglich, dass es um die Erforschung „fortschrittlicher Materialien“ gehe. Da der Ort regelmäßig von kleinen Erdbeben erschüttert wird und Explosionen zu hören sind, liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine geheime Militärmission handelt.
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Trailer „Don't Worry, Darling“
Als Alice einen Blick durch die Fensterscheibe wirft und damit sozusagen gleich einer Eva vom Baum der Erkenntnis nascht, muss sie wie eine solche für ihren „Sündenfall“ bestraft werden. Anstatt in der Vertreibung aus dem vermeintlichen Paradies besteht sie in einem Prozedere, das sie vergessen lassen soll, was sie gesehen hat.
Als sie dennoch immer wieder von Flashbacks heimgesucht wird und beginnt, die anderen Mitbewohner davon zu überzeugen, dass in der Gemeinde etwas im Argen liegt, versuchen sie die männlichen Anführer mit Pillen und Elektroschocks ruhigzustellen, um das Geheimnis des Projekts zu bewahren.
Durch die mit den Mitteln des Horrors dargebrachte Kritik an männlicher Selbstherrlichkeit, die in misogynes Verhalten umschlägt, setzt Olivia Wilde zugleich zu einer Mahnung an. Sie hat mit den Gefahren zu tun, die von der „Incel“-Bewegung ausgehen, beziehungsweise von besagten Ewiggestrigen: den Trumps, Orbáns und Putins dieser Welt samt ihrer Anhängerschaft, die sich eine Vergangenheit zurückwünschen, in der noch eine vermeintlich natürliche Hierarchie herrschte, in der Männern von ihren Frauen noch der „angemessene Respekt“ entgegengebracht wurde. Oder so etwas in der Art.
Einen empfindlichen Nerv getroffen
Die Kritik von „Don’t Worry, Darling“ ist angesichts klar erkennbarer filmischer Vorlagen wie „Die Frauen von Stepford“ zwar sicherlich keine ureigene, keine gänzlich neue. Durch eigens gesetzte Nuancen wird ihr allerdings ein aktueller Anstrich verliehen, der angesichts reaktionärer politischer Entwicklungen beispielsweise in Bezug auf das Recht auf Abtreibung in den USA und Ungarn gerade einen empfindlichen Nerv trifft.
Umso bedauerlicher ist es, dass „Don’t Worry, Darling“ vom Tratsch über die Zerwürfnisse innerhalb des Casts, insbesondere zwischen Florence Pugh und der Regisseurin, sowie den Klatsch über die Beziehung zwischen Wilde und Harry Styles überlagert wird. Nicht zuletzt aufgrund des irritierenden Auftritts bei den Filmfestspielen von Venedig, wo gerade Hauptdarstellerin Pugh bei Promo-Veranstaltungen durch Abwesenheit glänzte.
Wie sie selbst in einem Interview mit Harper’s Bazar erklärt, sei ein Grund dafür, dass sie sich von Presseterminen fernhalte, dass der Film seit Veröffentlichung des Trailers auf die Sexszenen mit dem überaus beliebten Popstar Styles reduziert werde. „Das ist einfach nicht das, was ich besprechen werde, weil [dieser Film] größer und besser ist als das“, führt sie aus.
Man ist geneigt, ihr zuzustimmen – und sich zu fragen, warum man überhaupt das Risiko eingegangen ist, durch seine Personalie die Aufmerksamkeit vom Thema des Films abzulenken. An Styles’ teils sehr ungelenkem Spiel – seine Rolle sollte ursprünglich Shia LaBeouf übernehmen – kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Allerdings liefert Olivia Wilde mit ihrem zweiten Film als Regisseurin eben nicht nur erneut kluges feministisches, sondern ein stark kommerziell orientiertes Kino ab. Und in dem sind Publikumsmagneten bekanntlich mitunter wichtiger als künstlerische Überlegungen.
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