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schlechtes vorbildDatenkrake im Kundenservice: Niedersachsens Volksbanken wollen Kundenprofile für passgenaue Werbung erstellen

Die Volks- und Raiffeisenbanken wissen das Vertrauen zu schätzen, das ihnen die Kundschaft entgegenbringt. Dieses Vertrauen wollen sie nun zu Geld machen, indem sie aus Kundendaten Persönlichkeitsprofile zu Werbezwecken erstellen und darauf hoffen, dass die Kunden das mit sich machen lassen.

Die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel hält dieses Smart-Data-­Projekt für so problematisch, dass sie einen Brief an die 90 Genossenschaftsbanken im Land verschickt hat. „Ich habe mich dazu entschieden, Warnungen auszusprechen, um die Banken davon abzuhalten, schwerwiegende Verstöße gegen das Datenschutzrecht zu begehen“, schreibt Thiel.

Die Daten enthielten „Informationen über das Konsumverhalten, Beziehungen zu anderen Menschen, die wirtschaftliche Lage und Vorlieben“. Diese zu aggregieren und zu analysieren erlaube Rückschlüsse auf das berufliche und private Leben. Deshalb müssten die Kunden „die Möglichkeit bekommen, über die Verwendung ihrer Daten selbst zu bestimmen“, fordert Thiel.

Was die Banken damit machen könnten hat Patrick Freudenstein von Atruvia, dem IT-Dienstleister der Genossenschaftsbanken, im Bankblog beschrieben: Wenn es das Kundenprofil gerade hergibt, würden sie nicht nur einen ­Hauskredit anbieten, sondern auch noch die Handwerker für den Bau vermitteln. Statt im Elektrofachmarkt auf Raten kaufen zu müssen, hätten die Bankkunden längst das ­Angebot für einen Konsumentenkredit im Postfach, und auch das Geschäft mit dem Autoleasing würden die Banken in die Hand nehmen. Freudenstein spricht von „vollkommen neuen Wertschöpfungsoptionen“.

Zur Berechnung, ob jemand etwa einen Konsumentenkredit brauchen könnte, würden 162 Datenfelder genutzt, erläutert Thiel: vom Bezug sozialer Leistungen über die Ausgaben für den Haushalt und Lebensmittel und die Fahrzeugkosten bis zu den Umsätzen im Internet. Zudem würden von externen Dienstleistern Daten zum Wohnumfeld angekauft.

Was die Genossenschaftsbanken hier vorhaben, entspricht dem, was die großen Internetfirmen längst tun. Aus Sicht von Atruvia bietet das Smart-Data-Projekt die Chance, der „zunehmenden Konkurrenz von Non- und Neo-Banken“ entgegenzutreten und zur zentralen Internetplattform ihrer Kunden in Gelddingen zu werden.

Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) betont dabei den Nutzen für die Kunden: Das Verfahren stelle sicher, „dass diese nur Informationen, Empfehlungen und Angebote erhalten, die sie auch wirklich interessieren“. Dafür würden Kundendaten „nur nach einer umfangreichen Interessenabwägung und transparenten Information beziehungsweise einer ausdrücklichen Zustimmung des Kunden“ analysiert.

Eine Interessenabwägung reiche nicht aus, schreibt dagegen Thiel. Und auch die Einwilligungsformulare nicht, „weil die Kundinnen und Kunden nicht selbst entscheiden können, ob und welche konkreten Smart-Data-Verfahren durchgeführt werden“. Stattdessen könnten sie nur pauschal einwilligen.

Gernot Knödler

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