piwik no script img

Nachruf Elisabeth Meyer-RenschhausenSie spann Netze und Gedanken

Elisabeth Meyer-Renschhausen war eine originelle Rebellin, die für Frauen, Umwelt, den Planeten stritt. Jetzt ist sie gestorben.

Eine Spinnerin? Über dieses Label hätte sie sich nicht geärgert Foto: Wilm Weppelmann

Wer etwas über Urban Gardening, über Gärten in der Stadt, wissen wollte, musste Elisabeth Meyer-Renschhausen kontaktieren. Wer Fragen hatte zu Frauengeschichte, Sozialarbeit, Frauenbewegung, bekam von ihr ebenfalls Antworten. Wer sich für unangepasste Wissenschaftlerinnen interessierte, sie kannte sie alle. Wer etwas über die Kulturgeschichte des Breis erfahren wollte, kam an ihr nicht vorbei. Wer sonst wäre auf die Idee gekommen, den Brei zum Forschungsthema zu machen? Sie hat nicht nur in der taz viele Artikel zu diesen Themen geschrieben. Nun kann niemand mehr Elisabeth Meyer-Renschhausen fragen; sie starb 73-jährig an Krebs.

Meyer-Renschhausen ist eine dieser Rebell:innen, die wie der zeitgleich verstorbene Christian Ströbele die verkrusteten Strukturen des Nachkriegsdeutschland niemals hätten tradieren wollen. Als Frau schon gar nicht, denn in den 50er und 60er Jahren, als sie aufwuchs, war die Erziehung und Bildung der Mädchen wieder auf die 3K ausgerichtet, auf Kinder Küche Kirche. Das tradierte Frauenbild wurde als alternativlos gepriesen.

Nicht nur über solche Themen konnte, wer das Glück hatte, sie zu kennen, mit Elisabeth streiten. Ja, streiten: Denn wer in Widerspruch geht, muss neue Gedanken zulassen. In diesem Sinne war Meyer-Renschhausen, die etwas spitzbübisch Jugendliches hatte, vor allem wenn sie ihre Schiebermütze trug, radikal.

Um neue Gedanken ging es ihr. Um das Undenkbare denkbar zu machen. Und um ein Leben im Einklang mit der Natur. Sie sah die kapitalistische Gier und sehr früh auch die Gleichgültigkeit dem Planeten gegenüber. Sah, welche gravierenden Folgen die Klimakrise vor allem für die armen Menschen hat. Und die Mehrheit der Weltbevölkerung ist arm.

Der Hoffnung eine Plattform

Sie wollte dem, was in all der Misere Hoffnung macht, eine Plattform geben. Deshalb ihr Engagement für Urban Gardening. Etliche Gärten in Berlin hat sie mit ins Leben gerufen. Heute gelten Gemeinschaftsgärten in der Stadt bereits als Hoffnungsträger gegen Nahrungsmittelknappheit in der Klimakrise. Vor einem Vierteljahrhundert aber galten sie als fixe Ideen von Spinnern. Und Spinnerinnen.

Niemals wäre Elisabeth Meyer-Renschhausen böse gewesen, hätte jemand sie eine Spinnerin genannt. Vielmehr hätte sie es als Stichwort genommen, für einen Exkurs in die Spinnenwelt, samt Spinnenphobie, die doch etwas mit der Mutter zu tun hat, der umschlingenden, der Netze bauenden; sie wäre davon ausgehend zur Kulturgeschichte der Hysterie von Frauen, weiter zur Hexenverfolgung und der damit einhergehenden Zerstörung traditioneller Heilmethoden gekommen. Spinnen, das heißt Netze weben, heißt Gedanken weben, heißt Denken. Sie war eine große und großartig Spinnende.

Und Vernetzende. Denn Spinne und Netz gehören zusammen. Sie spann nicht nur Gedanken; sie spann auch Netzwerke. Mitunter reiste sie um die Welt, um die Grassroot-Bewegungen in Asien, in Südamerika, in Osteuropa zu studieren. Und um herauszufinden, was wir von ihnen lernen können. Was wir etwa von der kleinbäuerlichen Struktur auf der ganzen Welt lernen können. Dass Subsistenzlandwirtschaft ein Arbeitsbereich von Frauen ist. Und dass diese nicht zählt, wenn es um Infrastrukturprojekte geht, die auf den Ackerflächen gebaut werden sollen. Entwicklung fördert vielerorts Armut. Armut von Frauen.

Ach, Armut: Auch sie hatte oft wenig Geld, hielt sich bis zu ihrem Tod als Privatdozentin an Unis und mit Vorträgen, Buchprojekten, Workshops und Artikeln über Wasser. Als Professorin an eine Universität wurde sie nie berufen. Weil sie ihrer Zeit voraus und gleichzeitig fortschrittskritisch war. Weil sie herzensgut, aber nicht zu stoppen war. Es sind diese Menschen, die die Gesellschaft weiter bringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 /