Saisonstart in der Frauen-Bundesliga: Wolfsburgerinnen auf Titeljagd
Wolfsburgs Fußballfrauen sind auch kommende Saison die Favoritinnen der Liga. Ihren Kader haben sie mit gleich vier Nationalspielerinnen verstärkt.
Dass das den VfL besonders hart trifft, ist aber eher kein Grund für Mitleid. Wer so viele Nationalspielerinnen im Kader hat, ist ja irgendwie selbst Schuld. Gleich vier von fünf Transfers aus dem Sommer gehören zu dieser Spitzengruppe.
Da ist zum einen die junge Slowenin Sara Agrež vom Traditionsklub Turbine Potsdam. Menschlich sei es in Wolfsburg genauso herzlich wie in Potsdam, sagt Agrež. „Aber fußballerisch ist es was anderes.“ Der Ex-Verein der Verteidigerin hat mit einem enormen Umbruch zu kämpfen: Viele sind gegangen, der Kader ist sehr jung. „Wenn ich ehrlich bin: Ich glaube nicht, dass die oben mitspielen.“ Überhaupt hätten es reine Frauenvereine in Zukunft schwer, glaubt Agrež.
Zum professionelleren VfL – außer dem FC Bayern kann kein Klub solche Trainingsbedingungen und Spielstärke aufweisen –kommen zudem drei Spielerinnen, die deutsche Fußballfans spätestens seit diesem furiosen EM-Sommer kennen: Merle Frohms, Marina Hegering und Jule Brand.
Außer Bayern gibt es nur erweiterte Konkurrenz
Vor allem die Torhüterin Frohms, die zuletzt bei Eintracht Frankfurt gespielt hat und schon einmal beim VfL unter Vertrag war, hat bei der Europameisterschaft bewiesen, dass auch vergleichsweise kleine und leichte Torhüterinnen großartig halten können. Nur die englische Keeperin hat im Turnier noch weniger Gegentore kassiert als Frohms. Im Nationalteam hat sie Almuth Schult bereits als Nummer eins abgelöst, jetzt tritt sie auch im Verein ihre Nachfolge an. Schult wechselte im Sommer in die USA.
Die erst 19-jährige Mittelfeldspielerin Brand machte ebenfalls bei der EM auf sich aufmerksam, als sie im Halbfinale gegen Frankreich für die an Corona erkrankte Klara Bühl von Beginn an spielte und komplett ablieferte – souverän, und gefährlich für die Gegnerinnen. Sie kommt von Hoffenheim und gilt als riesiges Talent.
Die drei wechseln von Klubs, die in den vergangenen Jahren mit wenigen anderen Teams die Tabellenplätze hinter Wolfsburg und Bayern unter sich ausgemacht haben – und so zumindest zur erweiterten Konkurrenz gehören. Vom Rivalen Bayern München kommt Innenverteidigerin Marina Hegering. Sie trifft in Wolfsburg auf ihre Nationalteam-Kollegin Kathrin Hendrich. Trainer Stroot könnte bald zumindest theoretisch die Innenverteidigung des Vizeeuropameisters aufstellen.
Die 32-jährige Hegering hat einen besonderen Vertrag unterzeichnet: Zwei Jahre Fußball spielen, anschließend geht es ins Trainer*innenteam. Bis 2026 soll sie mindestens bleiben. Der Kader des VfL ist damit enorm gestärkt. Und das sind nur die Neuzugänge: Da wären ja noch beispielsweise Stürmerin Alexandra Popp, die ihren Vertrag kürzlich bis 2025 verlängert hat, sowie Mittelfeldspielerin Lena Oberdorf. Letztere wurde als beste junge Spielerin der EM ausgezeichnet und – neben Hegering, Popp und zwei weiteren Deutschen – von der Uefa in die „Elf des Turniers“ gewählt.
Über die Konkurrenz innerhalb des Wolfsburger Kaders macht Hegering sich keine Gedanken. „Die kitzelt alles aus einem raus.“ Und dass der Kader so breit ist, sei angesichts der hohen Belastung während der Saison nur sinnvoll. Schließlich wolle man in allen drei Wettbewerben bis zum Ende mitspielen. In der vergangenen Champions-League-Saison war für Wolfsburg im Halbfinale Schluss. Man verlor gegen den späteren Zweiten Barcelona im Hinspiel mit 5:1. Danach gab es das Double – nur, könnte man fast sagen.
Neben Hegering haben auch viele andere Nationalspielerinnen inzwischen einen Trainerschein gemacht. Auch der fünfte VfL-Neuzugang, Abwehrspielerin Kristin Demann, will eine ähnliche Richtung einschlagen: Rehatrainerin im Fußball. Die Frauen müssen sich frühzeitig Gedanken um einen Job nach der aktiven Karriere machen. Dabei sind die Wölfinnen noch gut dran: Aktuell betreiben deutsche Fußballerinnen ihren Sport meist nur als Nebenjob, selbst viele aus der ersten Liga.
Nach der EM war das Thema Equal Pay, also die gleiche Bezahlung des Frauen- und Männernationalteams, in aller Munde. Popp verweist aber vor allem auf die Bundesliga: „Die Liga ist am Ende dafür zuständig, dass wir Spielerinnen haben, die auf hohem Level spielen können, und dafür brauchen wir professionelle Strukturen.“ Bestenfalls auch in der zweiten Bundesliga. Popp spricht von Grundgehältern und hofft, dass auch lange nach der EM die Medienpräsenz der Spielerinnen anhält und auch Unternehmen angesprochen wurden, die sich nun entscheiden, in den Frauenfußball zu investieren.
In den Testspielen stand Wolfsburg gut da
Die Teams aus Wolfsburg und Bayern kann so schnell aber wohl kein anderes toppen. Sie stellten gemeinsam mehr als die Hälfte der Spielerinnen des deutschen Kaders bei der EM. Die Frauen vom FC Bayern haben 2016 und 2021 die Meisterschaft gewonnen, seit 2015 waren sie ansonsten immer der Vizemeister hinter Wolfsburg. Dass Wolfsburgs Stürmerin Popp bei der EM so glänzen konnte, lag auch daran, dass Bayerns Topstürmerin Lea Schüller, Fußballerin des Jahres 2022 und Torschützenkönigin der vergangenen Saison, coronabedingt fast alle Spiele verpasste.
Der bekannteste Neuzugang in München ist wohl Georgia Stanway von Manchester City WFC. Die englische Nationalspielerin hatte England bei der EM ins Halbfinale geschossen und einen großen Anteil am Titelgewinn ihrer Nation.
Zumindest das letzte Testspiel fiel für Bayern ernüchternder aus als für den VfL: Die Münchnerinnen verloren Zuhause mit 0:2 gegen Atlético Madrid. In Niedersachsen wurde das letzte Testspiel gegen den niederländischen Meister FC Twente kurzfristig abgesagt. Die Gäste hatten Coronafälle im Team. Das Spiel hätte ohne die Hilfe der abgestellten Nationalspielerinnen ohnehin wenig Aussagekraft gehabt. Die beiden Testspiele davor hat der VfL aber gewonnen. Ernst wird es für Wolfsburg am 17. September zu Hause gegen Essen.
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