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Tratsch beim MännerfußballFenster mit Mängeln

RB Leipzig lebt von Wettbewerbsverzerrung bei Transfers und beklagt sie nun. Und natürlich wundert sich auch der FC Bayern vornehmlich über andere.

Voll unfair: Leipzigs Trainer Tedesco fühlt sich benachteiligt

E s wird wieder still. Das Transferfenster ist zu. So lange es geöffnet ist, hört man jede Menge Tratsch. Wer könnte zu wem gehen, wer könnte an wem interessiert sein? Wo hat der Berater von Robert Lewandowski mit wem gefrühstückt? Wo sind die Gedanken von Ronaldo beim Training? Ist Manchester United tatsächlich bereit, knapp hundert Millionen Euro für Antony an Ajax Amsterdam zu überweisen?

Die Zeit der Spekulationen ist von großer Bedeutung für den Männerprofifußballs geworden. Selbst wenn der Ball in der Sommerpause ruht, werden die Kunden an den elektronischen Endgeräten mit Meldungen gefüttert, die mehrheitlich in der Möglichkeitsform geschrieben werden. Gnabry könnte, Aubameyang würde, der VfB Stuttgart bekäme. Für Unterhaltung wird immer gesorgt. Dass diese Phase immer mehr in den laufenden Spielbetrieb hineinlappt, gefällt Domenico Tedesco, dem Trainer von RB Leipzig überhaupt nicht, wie er diese Woche sagte. Das Transferfenster sollte früher geschlossen werden. Er möchte in Ruhe mit seinem Team arbeiten.

Ein weiteres Argument, das er für seine Forderung vorbrachte, hatte wiederum selbst höchsten Unterhaltungswert. Es sei Wettbewerbsverzerrung, wenn RB Leipzig gegen einen VfB Stuttgart mit dem Stürmer Sasa Kalajdzic spielen müsste, während die anderen Vereine nun gegen die Schwaben diesen Spieler nicht mehr verteidigen müssten. Ein Vertreter eines Vereins, der von seinem Mäzen und von Wettbewerbsverzerrung lebt, fordert gleiche Bedingungen für alle. Wenn ein lange geöffnetes Transferfenster derart lustige Blüten treibt, sollte es möglichst nie geschlossen werden.

Wettbewerbsverzerrungen im Männerfußball sind systemimmanent, das konnte man auch an dieser Transferperiode wunderbar beobachten. Der mit 1, 3 Milliarden Euro verschuldete FC Barcelona konnte bei seinen Neuverpflichungen klotzen, weil er eine Spekulationsblase verkaufte – einen Teil seiner TV-Einnahmen der nächsten 25 Jahre, den er noch gar nicht eingenommen hat. Zur Empörung des FC Bayern München, die Barça wegen unlauteren Wettbewerbs vermutlich am liebsten vor den Internationalen Sportgerichtshof nach Lausanne gezerrt hätten.

Schulmeisterliche Bayern

Der FC Bayern ist international wie national ja vor allem schulmeisterlich. Im vernünftigen Wirtschaften hält man sich für unschlagbar. Während jedoch die Bundesliga insgesamt dieses Transferfenster mit einer positiven Bilanz abschließt, hat der deutsche Meister wieder einmal im Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben bei seinen Spielertransfers stark über die Stränge geschlagen.

Ein Defizit von über 33 Millionen Euro – so viel wie keiner sonst – hat man eingefahren. Möglich ist das, weil der Verein es mit den überdimensionierten Champions-League-Vergütungen, seinen sonstigen hohen TV-Geldinnahmen und seiner bis nach Katar reichenden Sponsorenfreunde locker ausgleichen kann. Freilich, innerhalb der Systemlogik hat man sich diese Position in dem verzerrenden Wettbewerb „erarbeitet“.

Ganz anders etwa als Nottingham Forest. Der Aufsteiger in die Premier League hat am Donnerstag wenige Stunden vor Schließung des Transferfensters noch seine Verpflichtungen Nr. 19, 20 und 21 bekanntgegeben. Englischer Rekord! Das Defizit in der Transferbilanz beträgt nun 160 Millionen Euro, also weit mehr als beim FC Bayern oder gar dem Scheichklub Paris St. Germain.

Eigentümer von Nottingham Forest ist der griechische Reeder Evangelos Marinakis, der vor längerem schon auch den aktuellen griechischen Meister Olympiakos Piräus aufgekauft hat. Die Justizbehörden dort haben sich mit ihm schon erfolglos beschäftigt. Der Vorwurf damals lautete unter anderem: Manipulation von Fußballspielen und Bildung einer kriminellen Vereinigung.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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1 Kommentar

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  • Ganz viel Äpfel und Birnen im Vergleich. Klar kann man mehr ausgeben, wenn man mehr Einnahmen hat. Das ist halt simple Marktwirtschaft. Chancengleichheit gibts da nicht. Wie der Artikel ja auch feststellt, ist das "systemimmanent". Und der Profifußball nunmal ist ein Teil davon. Das ist alles nicht schön, aber auch überhaupt nix Neues.

    Was Barcelona macht, ist in erster Linie mal traurige Selbstzerstörung. Dass der Verein in anderen Ländern längst keine Lizenz mehr hätte, ist aber ein Fakt, den man kritiseren kann. Und die Sache mit dem Sportsgerichtshof in Lausanne ist schlicht ausgedacht. Dafür gibts weder eine Grundlage, noch irgendeine Aussage. Soviel zum Thema Tratsch.