piwik no script img

Krise beim Hamburger SVRote Karten und Strafanzeigen

Niederlage in der Liga, auch sonst läuft es nicht: Finanzvorstand, Sportchef und Investor streiten. Geld für die Stadionsanierung fehlt weiter.

Die HSV-Fans können derzeit weder auf noch neben dem Platz mit ihrem Club zufrieden sein Foto: Swen Pförtner/dpa

Hamburg taz | HSV-Trainer Tim Walter war nach dem Spiel der Zweiten Fußball-Bundesliga am vergangenen Freitagabend kaum zu beruhigen. „Bodenlos, das ist eine Frechheit. Ich habe noch nie schlechtere Schiedsrichter gesehen“, schimpfte er über das Gespann um Robert Schröder. Seine Mannschaft, der Hamburger SV, hatte soeben mit 1:2 gegen Darmstadt verloren.

In der zweiten Halbzeit flog erst Darmstadts Klaus Gjasula mit Gelb-Rot vom Platz, dann HSV-Talent Aaron Opoku, der keine zehn Minuten nach seiner Einwechslung seinem am Boden liegenden Gegenspieler Fabian Holland übel in die Rippen getreten hatte. In der Schlussphase sahen auch noch die Hamburger Ransford Königsdörffer und Sportchef Jonas Boldt die Rote Karte. Neuzugang Königsdörffer, der in der 87. Minute den 1:2-Anschlusstreffer für den HSV erzielte, hatte einen Darmstädter mit der Hand im Gesicht getroffen.

Eine strittige Entscheidung, die Boldt nicht unkommentiert stehen ließ, sich zwei Gelbe Karten abholte und aus dem Innenraum des Stadions verwiesen wurde. „Er betrat den Platz, das war schon grenzwertig, dafür hat er Gelb bekommen. Aber er hat einfach nicht aufgehört, unsportlich zu reklamieren“, begründete Schiedsrichter Schröder die Entscheidung.

Das Bild, das der HSV auf dem Platz abgab, passt zur Gesamtlage des Clubs. Die zweite Niederlage im fünften Saisonspiel scheint im Moment aber eher eines der kleineren Probleme zu sein. Denn kurz vor dem Spiel machten Berichte des Hamburger Abendsblatts und des Spiegel die Runde, wonach gegen Finanzvorstand Thomas Wüstefeld zwei Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft eingegangen sind. Die Vorwürfe: Untreue, Betrug und Schäden in Millionenhöhe.

PCR-Testgeräte nicht vertragsgemäß geliefert

Kurz gesagt geht es darum, das Wüstefelds Medizintechnikunternehmen Medsan mobile PCR-Testgeräte nicht vertragsgemäß geliefert habe. Mit seiner Tätigkeit als Vorstand des HSV haben die Vorwürfe zwar nicht unmittelbar etwas zu tun. Dennoch gerät Wüstefeld seit seinem Einstieg als Aktionär zunehmend unter Beschuss.

Und zwar von allen Seiten: Mit Sportvorstand Jonas Boldt liegt er seit Monaten über Kreuz, obwohl beide, natürlich, öffentlich Gegenteiliges sagen. Und Klaus-Michael Kühne, dem Wüstefeld erst im vergangenen Herbst knapp über fünf Prozent der Aktien abgekauft hat, wirft er „arglistige Täuschung“ vor, weil ihm relevante Informationen über die tatsächliche finanzielle Lage des HSV vorenthalten worden seien.

Zum Beispiel darüber, was eigentlich mit den 23,5 Millionen Euro der Stadt Hamburg geschehen sind, die für die Sanierung des Stadions gedacht waren. Kühne wiederum wünscht sich öffentlich, dass „Wüstefeld beim HSV bald Geschichte ist“.

Mit seinem Vorstoß, den HSV quasi zu übernehmen und seine Anteile auf 39,9 Prozent zu erhöhen, ist der launische Investor vorerst gescheitert. Vereinspräsident Marcell Jansen hat abgelehnt. Kühnes bis zu 120 Millionen Euro schweres Angebot, das einer Machtübernahme gleichgekommen wäre, sei „in dieser Form“ nicht umsetzbar.

Der Präsident muss aufpassen, sonst könnte ihm die Personalie Wüstefeld noch selbst gefährlich werden. Jansen war es, der den 53-Jährigen zum HSV geholt hatte und ihm trotz aller Vorwürfe und Streitigkeiten weiterhin das Vertrauen ausspricht. Die Frage ist nur: Wie lange noch? Der Druck aus den eigenen Reihen wächst, in Geschäftsstelle und Aufsichtsrat hat der Finanzvorstand viele Kritiker. Selbst Wüstefelds erster großer Zwischenerfolg, ein Darlehen von Hauptsponsor Hanse Merkur zur Finanzierung der Stadionsanierung, könnte zum Bumerang werden.

Für den Kredit benötigt der HSV Bürgen, Wüstefeld brachte die Stadt ins Spiel. Der Senat wiederum ist verärgert, steht einer Bürgschaft kritisch gegenüber und werde „mit äußerster Strenge“ vorgehen, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) der Bild. Die Arbeiten am Stadion sollen bald starten. Doch fix geregelt ist noch nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!