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Pienings ungerechte Welt

Der Berliner Migrationsbeauftragte warnt vor Schwarz-Weiß-Malerei in der Integrationsdebatte. Neuköllns Bezirksbürgermeister schoss derweil wieder quer

In Sachen Integrationspolitik hat Günter Piening wahrlich keinen leichten Stand. Der Migrationsbeauftragte mag noch so faktenreiche Studien in Auftrag geben, in denen in mühseliger Recherchearbeit die Integrationsbereitschaft der MigrantInnen bewiesen wird. Er mag noch so umfangreiche Integrationskonzepte für den Senat ausarbeiten, in dem die vielen bereits existierenden Maßnahmen zu einem Gesamtprogramm gebündelt werden sollen. Und er mag zu noch so vielen Veranstaltungen tingeln und predigen, dass Berlin „nach wie vor eine Stadt mit großer Integrationskraft“ und eine Einwanderungsstadt sei. Aber der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) muss nur einmal öffentlich ein Statement abgeben, und schon heißt es aus Berlin wieder: Multikulti ist gescheitert.

So geschehen auch gestern: Buschkowsky hatte einer Boulevardzeitung in einem Interview mitgeteilt, dass 70 Prozent der jungen Migranten die Schule ohne Abschluss verließen und in seinem Zuständigkeitsbereich ganze Gebiete verwahrlosten. Und weiter: „Ein bisschen Dealen, dazu Arbeitslosengeld, damit kommen einige gut über die Runden.“

Piening, der zur Verstärkung Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) an seiner Seite hatte, lud gestern zur Bilanzpressekonferenz. Mit der Konzentration auf Kitas und Schulen seien neue Akzente gesetzt worden, die integrationspolitischen Maßnahmen hätten sich stärker in den Kiez hineinentwickelt, und in der zweiten Generation sei längst eine neue Mittelschicht entstanden, die neue Impulse in die Stadt bringe, bilanzierte Piening. Knake-Werner ergänzte, mit dem Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen sei ein bedeutendes Gremium mit einer starken Migrantenvertretung geschaffen worden. Zwar habe man zu spät auf die negativen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt reagiert, die MigrantInnen dieser Stadt besonders hart treffen, gab Piening zu. Zugleich warnte der Integrationsbeauftragte vor zu hoch gesteckten Erwartungen. „Wir brauchen einen langen Atem.“ Und: „Wer über Probleme redet, muss auch über Stärken reden.“ Alles andere verzerre die Perspektive.

Günter Piening mag mit seinen differenzierten Beobachtungen von Problemen und Chancen der Integration durchaus Recht haben. Auf die Titelseite hat es dennoch wieder nur sein Kontrahent Buschkowsky geschafft. FELIX LEE

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