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Handballer wollen Coronahilfe einklagenLeere Sitzplätze, leere Kasse

Der HSV Hamburg hat errechnet, dass ihm rund 670.000 Euro vorenthalten werden. Das Bundesverwaltungsamt benachteiligt den Aufsteiger.

Sein Team lockt seit dem Aufstieg mehr Publikum in die Halle, wäre nicht Pandemie: Torsten Jansen Foto: Andreas Gora/dpa

Osnabrück taz | Gerade rückt die Vorbereitung auf die neue Handballsaison in den Hintergrund, dafür bringen sich beim Handball Sport Verein Hamburg (HSVH) die An­wäl­t:in­nen in Stellung. Das Bundesverwaltungsamt in Köln hat entschieden, dass der Verein für zwei Quartale in 2021 keine Coronahilfen bekommt. Laut der Berechnung des Vereins geht es dabei um 670.000 Euro.

Den Antrag stellte der Verein, um Unterstützung für die geringeren Einnahmen durch den Verkauf von Tickets während der Pandemie zu bekommen. Doch der Aufstieg in die erste Bundesliga im vergangenen Jahr sorgt nun indirekt dafür, dass der HSVH keine Unterstützung vom Bundesverwaltungsamt erhält.

„Für die Coronahilfen wird der Bemessungszeitraum 2019 zugrunde gelegt, wo wir noch in der zweiten Liga gespielt haben“, sagt HSVH-Geschäftsführer Sebastian Frecke der taz. Ein zwischenzeitlich erfolgter Aufstieg finde in der Vergaberichtlinie keine Berücksichtigung, so dass es für einen Aufsteiger unmöglich sei, einen Antrag auf Förderung zu stellen, „obwohl wir coronabedingt nachweislich Mindereinnahmen im Bereich des Ticketings hatten“, sagt Frecke. „Genau wie jeder andere Erst- oder Zweitligist.“

Grundlage der Entscheidung des Bundesverwaltungsamts ist die Billigkeitsrichtlinie „Coronahilfen Profisport 2021“ des Bundesinnenministeriums (BMI). In einem FAQ des Ministeriums zu dieser Richtlinie heißt es: Die Hilfen seien „an der Höhe der vorangegangenen Ticketeinnahmen im Vergleichszeitraum 2019 auszurichten“. Eine besondere Behandlung von Auf- und Absteigern sei „nicht vorgesehen“.

Die Differenz trägt der Verein

Konkret bedeutet das: Wenn ein Verein in der Zweiten Bundesliga gespielt hat und dort weniger Publikumseinnahmen hatte, weil die Tickets billiger und die Halle kleiner waren, werden diese geringeren Einnahmen vom Amt als Grundlage für die Berechnung genommen. Steigt der Verein dann auf, könnte er in der Ersten Liga zwar deutlich mehr Geld mit den Tickets verdienen.

Wenn dies beispielsweise durch Spiele mit beschränkten Zuschauerzahlen aber nicht so war, fällt der Vergleich der Einnahmen zum Zweitliga-Vorjahr viel weniger drastisch aus. Eine Förderung ist dann ausgeschlossen, die entgangene Differenz muss der Verein selbst tragen.

Der HSVH fühlt sich als Aufsteiger also pauschal von der Förderung ausgeschlossen. Frecke will das nicht hinnehmen. Am 12. August hat der HSVH gegen das Bundesverwaltungsamt Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Bis Mitte September hat der Verein nun Zeit, die Klage­be­grün­dung nachzureichen. „Wir befinden uns gerade in dem Prozess, alles intensiv juristisch aufzuarbeiten“, sagt Geschäftsführer Frecke. Dann werde entschieden, „ob die Klage substanziell begründet werden kann oder wir sie zurückziehen“.

Mit seiner Klage denkt der HSVH weit über den eigenen Handballverein hinaus. Die Hamburger wollen erreichen, „dass eine Grundlage für eine Berechnung und faire Verteilung der Fördermittel für alle betroffenen Vereine geschaffen wird“, sagt Frecke. „Aktuell sehen wir dort eine Ungleichbehandlung.“

Der HSVH sei der einzige beantragende Verein der Handballbundesliga, dessen Antrag abgelehnt worden sei, wodurch es keine Coronahilfen vom Bund für das zweite Halbjahr 2021 gab, sagt der Geschäftsführer.

Das Bundesverwaltungsamt, von der taz um Kommentierung gebeten, schweigt.

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1 Kommentar

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  • Bei Kindergartenbebühren, Wohngeld usw. wird bei Privatpersonen ja auch das Einkommen des Vorjahres zu Grunde gelegt...