piwik no script img

Doku zu „Nonconsensual Porn“Menschenfeindlich und skrupellos

Eine neue Netflix-Miniserie erzählt die Geschichte der „Rache-Porno“-Plattform „Is anyone up!?“. Ihre Stärke ist dabei der Fokus auf die Betroffenen.

Hunter Moore, Gründer der Plattform „Is anyone up!?“ Foto: Netflix

„Thank you for being evil“ bekamen anonyme Nutzer der US-amerikanischen Internet-Plattform „Is anyone up!?“ angezeigt, wenn sie etwas auf der Seite hochluden. Und böse war die Plattform wirklich, mit ihrem Ziel, Menschen zu demütigen, indem man intime Aufnahmen von ihnen dort veröffentlichte. Der Betreiber heißt Hunter Moore, selbsternannter „König des Rache-Pornos“.

Die Serie

„Der meistgehasste Mann im Internet“, drei Folgen auf Netflix

Aus naheliegenden Gründen galt Moore deshalb als „der meistgehasste Mann im Internet“, was den Titel gibt für eine neue Doku-Reihe auf Netflix. Ausgangspunkt und roter Faden des Dreiteilers ist das unerbittliche Unterfangen einer Mutter, Hunter Moore und seine Website zur Rechenschaft zu ziehen. Denn es landeten intime Bilder von Charlotte Laws’ Tochter Kayla auf der Seite.

Charlotte Laws, die Heldin der Geschichte, klemmt sich sofort dahinter, die Bilder ihrer Tochter löschen zu lassen. Der erfolglose Versuch entwickelt sich zu einem zweijährigen Kampf – nicht nur für den Niedergang der Plattform und ihres Betreibers, sondern vor allem für Gerechtigkeit gegenüber den Betroffenen. Dass von ihnen gleich mehrere ausführlich zu Wort kommen, ist eine Stärke der Doku. Trotzdem kommt sie natürlich nicht völlig ohne Netflix-typische Dramatisierung à la Infotainment aus.

Kampf gegen Windmühlen

Im Laufe der Miniserie verfolgen wir, wie Laws stapelweise Akten sammelt über Hunter Moore. Wie sie sich, nachdem sie bei Polizei, Internet-Providern und Anwälten auf Granit stößt, mit dem FBI und einer Journalistin in Verbindung setzt und es schafft, die Menschen aufzurütteln. Sogar das Hacker-Netzwerk Anonymous kommt ins Spiel. Es ist ein gefährlicher Kampf, der in Morddrohungen gegen Charlotte Laws vonseiten der Moore-Gefolgschaft gipfelt. Und es ist ein Kampf gegen Windmühlen in einem Rechtssystem, in dem es kaum eine juristische Handhabe gegen Betreiber von Porno-Plattformen gibt.

Der Fall der Webseite „Is anyone up!?“ liegt über ein Jahrzehnt zurück und zeigt, wie lange das Phänomen des „Non-Consensual Porn“ schon existiert. Die Seite gilt als die erste, in der in einem solchen Ausmaß gezielt und systematisch intime Aufnahmen von Menschen ohne deren Einverständnis öffentlich verbreitet wurden – bis zu 100 Uploads am Tag.

Die Seite kreierte einen regelrechten Hype, Hunter Moore wurde zum Idol einer Online-Blase und um ihn bildete sich eine treue Gefolgschaft misogyner Männer wie auch Frauen. Der „Unique Selling Point“ der Seite: die Social Media Accounts und privaten Daten der abgebildeten Personen mit ihren intimen Aufnahmen zu verknüpfen, was Rückschlüsse auf ihre wahre Identität zuließ. Eine Betroffene, die in der Doku von ihren Erfahrungen erzählt, erfährt von einem Kumpel, dass Nacktbilder von ihr auf der Seite sind. Da sie mit ihrem Facebook-Account verlinkt sind, wissen bald auch ihr Bruder und der ganze Bekanntenkreis Bescheid. Sie chattet Hunter Moore an, fleht ihn an, die Bilder zu löschen. Seine Antwort: „LOL.“

Moores Menschenfeindlichkeit und Skrupellosigkeit zeigt sich auch in den Tweets des sogenannten „Master of Manipulation“. Er schreibt etwa: „Wenn sich jemand umbringt, weil er auf ‚Is anyone up!?‘ auftaucht, wisst ihr, wieviel Geld ich daran verdienen würde?“

Unkritische Aufmerksamkeit

Was die Doku erschreckend zeigt, ist das System, auf dessen Grundlage eine Plattform wie „Is anyone up!?“ zumindest zeitweise funktionieren konnte: Auch abgesehen von seinen ihn vergötternden An­hän­ge­r:in­nen erhielt Hunter Moore durchaus gesellschaftliche Rückendeckung, bekam zu lange auch von der Presse viel unkritische Aufmerksamkeit. Die Erniedrigung der Betroffenen schien anfangs außer Charlotte Laws niemanden zu interessieren, den Star Hunter Moore dagegen fand man faszinierend. All das erinnert an den #MeToo-Fall R. Kelly. Auch den Sänger und mittlerweile verurteilte Sexualstraftäter schützte sein Rang in der Musikindustrie viel zu lange.

Die Seite „Is anyone up!?“ gibt es heute zum Glück nicht mehr, Hunter Moore wurde 2014 doch noch vom FBI wegen unbefugten Zugriffs auf geschützte Computer und schweren Identitätsdiebstahls verhaftet. Die Problematik, um die es geht, ist aber nach wie vor aktuell und weit verbreitet. Allein deshalb ist „Der meistgehasste Mann im Internet“ sehenswert.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!