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„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“

Demnächst werden wieder Wahllisten für das Schöffenamt aufgestellt. Das Interesse an diesem Ehrenamt sinkt aber stetig

Im Namen des Volkes Foto: Thomas Frey/image­broker/picture alliance

Von Gianluca Siska

Bald ist es wieder so weit. In wenigen Monaten werden in Deutschland die Laienrichter neu gewählt. Im letzten Quartal dieses Jahres werden alle Amtsgerichte in der Bundesrepublik die Gemeinde- und Stadträte dazu auf­fordern, Wahllisten für die kommende Legislaturperiode 2024 bis 2029 auf­zustellen. Die Schöf­f*in­nen – auch ­Lai­en­rich­te­r*in­nen genannt – werden für eine Dauer von fünf Jahren gewählt.

Bei jeder Wahl werden an den Amtsgerichten bundesweit circa 100.000 ehrenamtliche Rich­te­r*in­nen benötigt. 70.000 von ihnen üben ihr Ehrenamt an Strafgerichten aus, der Rest hat seinen Arbeitsbereich in Sozial-, Verwaltungs- oder Arbeitsgerichten. Die meisten Eh­ren­amt­le­r*in­nen beschäftigen sich daher mit Verbrechen der „mittleren Kriminalität“, bei denen die Straferwartung der Fälle zwischen zwei bis vier Jahren Freiheitsstrafe liegt.

Schöf­f*in kann in Deutschland jede Person werden, die das 25. Lebensjahr vollendet hat, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ein sauberes Vorstrafenregister besitzt, nicht im öffentlichen Dienst tätig ist, kein Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit war und eine „Verfassungstreue“ besitzt, die im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) allerdings nicht genauer definiert ist. Die Rolle von Lai­en­rich­te­r*in­nen ist auch historisch in der Bundesrepublik von großer Bedeutung. So lautet Artikel 20, Absatz 2 des Grundgesetzes: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“Somit fungieren Schöf­f*in­nen als Bindeglied zwischen Volk und Judikative. Das Ehrenamt entspricht einer Kontrollinstanz, welches die Lebensrealität der „einfachen Bevölkerung“ im Gerichtssaal garantieren soll. Dahinter steckt die Absicht des Staates sicherzustellen, dass die Bür­ge­r*in­nen stets ein Grundvertrauen in den Justizapparat besitzen.

Aber das Interesse an diesem Ehrenamt sinkt in der Bevölkerung stetig. Häufig kommt es, vor allem in Großstädten, zum Losverfahren über das Melderegister der Städte und Gemeinden, um die fehlenden Plätze zu belegen. Sich gegen diese verpflichtende Berufung zu wehren, ist fast un­möglich. Das Nichterscheinen zu Prozessen, in denen man als Schöf­f*in eingetragen wird, kann eine Ordnungsstrafe von bis zu 1.000 Euro nach sich ziehen.

In den meisten Belangenbesitzen die Lai­en­­richter*in­nen die gleichen Rechte wie Be­rufs­rich­te­r*in­nen

Der Begriff „Ehrenamt“ ist jedoch irreführend, da Schöf­f*in­nen eine Entschädigungspauschale von 7 Euro die Stunde erhalten und bei Verdienstausfall einen stündlichen Anspruch auf bis zu 29 Euro besitzen. Auch Anreise- beziehungsweise Fahrtkosten werden erstattet. Insgesamt ist ein Hauptschöffe für jährlich zwölf Sitzungstage im Kalenderjahr eingeplant. Die Termine werden für das gesamte Jahr im Voraus von den Amtsgerichten bekannt gegeben.

In den meisten Belangen besitzen die Lai­en­rich­te­r*in­nen die gleichen Rechte wie Berufsrichter*innen. Dies wird vor allem im Stimmrecht deutlich. So haben an den Schöffen-Strafgerichten die Ehrenamtlichen ein gleichwertiges Stimmrecht wie der vorsitzende Berufsrichter. Da zur Urteilssprechung eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, können in der Theorie die zwei Lai­en­rich­te­r*in­nen das Urteil der Be­rufs­rich­te­r*in­nen kippen.

Diese Einflussnahme von Ehren­amtlichen an der Rechtsprechung ist, so vermuten Rechtsexperten wie Joachim Wagner (siehe Interview), jedoch sehr selten. Die Kompetenz der Be­rufs­rich­te­r*in­nen ist häufig ausschlaggebend für eine einstimmige Urteilssprechung. Eine genaue Datenlage gibt es nicht, da sowohl Amtsgerichte wie Schöf­f*in­nen der Verschwiegenheit verpflichtet sind und auch nach Ende ihrer Schöffenzeit keine Auskunft über ihre Urteils­sprechung geben dürfen.

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